Corona-Abstand: Wer sagt bei Gericht die Wahrheit?
Birkenfeld/Pforzheim. Mit Verstößen gegen die baden-württembergische Corona-Verordnung kennt sich Amtsrichter Philipp Hauenschild aus: Vor kurzem saßen drei Rumänen vor ihm – angeklagt, weil sie am 21. April an der Birkenfelder S-Bahn-Haltestelle ohne Mundschutz und hinreichendem Mindestabstand auf einer Bank warteten. Sie waren nach getaner Arbeit bei Müller-Fleisch auf dem Weg in ihre Wohnung nach Pforzheim, als sie von der Polizei kontrolliert wurden. Hauenschild sprach die Männer frei, weil sie erst am Tag zuvor – und das mangelhaft – über die Vorschriften informiert wurden. Wie das Urteil das Amtsgerichts in einem Fall lauten wird, der am Montag anverhandelt wurde, wird sich erst in etwa zwei Wochen herausstellen. Auch dieser Vorfall spielt in Birkenfeld.
Es ist die Nacht zum 1. Mai, Unheil droht in Form von Dumme-Jungen-Streichen, die Polizei ist wachsam und vor Ort am Kirchenplatz. Es geht auf Mitternacht zu. Zwei junge Männer sitzen in einem schwarzen VW. Von hinten nähert sich ein Bekannter, er ist angeschickert. Thomas F. (alle Namen geändert) steigt aus, sagt dem Hinzugekommenen „Hallo“. Verlässt auch Antonio S. das Auto? Darum geht es – und um die Frage, wer die Wahrheit sagt: ein Beamter des Polizeireviers Neuenbürg oder der 22-jährige, dessen Aussage von drei Zeugen gestützt wird? Demnach ist Antonio im Auto sitzengeblieben, kann also gar nicht den Mindestabstand von 1,50 Meter unterschritten haben. Er habe einem der sechs oder acht Polizisten seinen Führerschein als Legitimitätsdokument aus dem Fenster gereicht – was der als Zeuge geladenen Beamte bestreitet. Die drei Männer seien gerade mal – vor dem Auto – eine Armlänge voneinander entfernt gestanden. Deshalb das Bußgeld in Höhe von 100 Euro, aus dem mit Auslagen 128,50 Euro wurden – und wogegen Antonio Widerspruch einlegte. Deshalb kam es zur Hauptverhandlung, die mit der Vernehmung weiterer Zeugen, bei jener Corona-Kontrolle eingesetzten Polizisten, fortgesetzt wird.
Steffi J. (23) und ihre Freundin Carmen L. (24), die sich in einem anderen Fahrzeug befanden, sind sich „zu 100 Prozent sicher“, dass Antonio S. im Auto sitzengeblieben war. Antonios Kumpel Bernd R. setzt noch einen drauf: Der als Zeuge aufgetretene Beamte habe gesagt: „So redet man nicht mit der Polizei. Du hast ein Problem, wenn Du nicht das Maul hältst.“