Birkenfeld
Birkenfeld -  24.04.2018
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Ton wird rauer: Warnstreik der IG Metall bei Inovan in Birkenfeld

Birkenfeld. „Als junge Mutter wäre ich glücklich gewesen, wenn ich meine Arbeitszeit vorübergehend hätte reduzieren können“, erklärt Andrea Koal-Bischoff unter dem Beifall ihrer Kollegen. Die neue Betriebsratsvorsitzende von Inovan hat am Montag ein Heimspiel, als sie bei der Kundgebung der IG Metall vor den Toren des Birkenfelder Präzisionstechnik-Unternehmens ans Mikrophon tritt.

Mehr als 300 Beschäftigte auch aus den benachbarten Edelmetallbetrieben G. Rau und Heimerle+Meule haben sich versammelt, um mit einem Warnstreik ihren Forderungen nach mehr Lohn und einer individuellen Verkürzung der Wochenarbeitszeit Nachdruck zu verleihen. „Es geht nicht nur um mehr Zeit für Kinder, sondern auch um die Betreuung der pflegebedürftigen Eltern“, betont Koal-Bischoff. Nicht auszudenken, wenn dann noch der Ehepartner schwer erkrankt ...

Der Ton im Tarifkonflikt wird rauer. Denn durch den überraschenden Austritt der Pforzheimer Traditionsfirma G.Rau aus dem Arbeitgeberverband des Bundesverbands (BV) Schmuck+Uhren während der laufenden Tarifrunde haben sich die Fronten weiter verhärtet. „Ein trauriger Anlass“, bringt es Betriebsratsvorsitzender Alexander Kröner auf den Punkt. Seit 31 Jahren arbeitet er im Unternehmen und war immer stolz darauf ein „G.Rau-ler“ zu sein, sagt Kröner. Doch jetzt drohe eine Spaltung der Belegschaft, weil durch den Austritt aus der Tarifbindung künftig im Unternehmen kein Anspruch auf tarifliche Leistungen mehr bestehe. „Eine riesengroße Frechheit.“ Betriebsrat und IG Metall wollen sich nicht mit der Entscheidung der G.Rau-Geschäftsleitung abfinden. Die Auftragsbücher seien voll und die Kapazitäten am Anschlag. „Auch die Beschäftigten in der Edelmetalindustrie wollen ein Stück vom Kuchen ab haben“, sagt Dieter Kiesling, Betriebsratsvorsitzender von Mahle Behr aus Mühlacker. 1984 hat er mit der IG Metall in einem sechswöchigen Arbeitskampf den Einstieg in die 35-Stunden-Woche durchgesetzt. Damals ein harter Schlag für die Arbeitgeber. Doch die Metall- und Elektroindustrie habe dies gut verkraftet. „Doch unter den Phantomschmerzen dieses Tarifabschlusses leiden die Arbeitgeber bis heute.“

Gewerkschaftssekretär Arno Raststetter spricht von einer „Regelung der Arbeitszeiten nach Gutsherrenart“. Flexibilität bei der Arbeitszeit sei keine Einbahnstraße, ergänzt Martin Kolb von der Elektronikschmiede Wisi aus Niefern. Und Kiesling verweist auf jeweils über 80.000 Überstunden bei Mahle Behr in den vergangenen beiden Jahren. Der Tagesablauf einer Mitarbeiterin in der Produktion sehe so aus: 5.30 Uhr aufstehen, den eigenen Haushalt und dann die pflegebedürftige Mutter versorgen. Um 14.15 Uhr beginnt die Spätschicht bis 23 Uhr. Am nächsten Tag klingelt um 5.30 Uhr wieder der Wecker.

Autor: Lothar H. Neff