Ein Koloss arbeitet sich voran
Pforzheim/Enzkreis. Meter für Meter frisst sich der gelbe Lindwurm durchs Brötzinger Tal. Seine Nahrung: Eisenbahnschwellen, Schotter und Schienen. Der 400 Meter lange Koloss aus Stahl ist ein Spezialzug, den die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) in diesen Tagen zur Instandsetzung eines Teilstücks der Stadtbahnstrecke zwischen Pforzheim und Bad Wildbad einsetzt.
Wo noch bis vor wenigen Jahren menschliche Muskelkraft notwendig war, kommt heute modernste Technik zum Einsatz und erledigt diese Arbeit buchstäblich in einem Zug. Denn mit dem 600 Tonnen schweren Schienenfahrzeug erfolgt die Auswechslung der Schwellen in einem automatisierten Fließbandverfahren. „Bei seiner Fahrt frisst der Zug vorne das komplette Gleisbett samt Schwellen und Schienen und spuckt hinten das neue wieder aus“, erklärt Frank Weißmann, Leiter der AVG-Bahnmeisterei Forbach. Neunzehn Mann Besatzung sind notwendig, um den komplexen Betrieb dieser kleinen Fabrik auf Schienen zu unterstützen und zu überwachen.
Zunächst hebt der Gleisumbauzug die Schienen an. Dann entfernen große Greifzähne die 70 Kilogramm schweren Schwellen aus Stahl, die über einen Portalkran zu den angehängten Materialwagen transportiert werden. Gleichzeitig wird der Schotter im Gleisbett nach außen gedrückt, um Platz für die neuen Gleisschwellen aus Beton zu schaffen, die über einen zweiten Kran angeliefert werden. Sobald die Schwellen verlegt sind, fädelt der Zug die zuvor entnommenen Schienen wieder ein. Während der vordere Teil des gelben Riesens also noch auf dem alten Gleis fährt, rollt der hintere schon auf dem neuen. „Die meisten der hier verbauten Stahlschwellen stammen noch aus dem Jahr 1933 und haben ihre Lebensdauer inzwischen überschritten. Die neuen Betonschwellen halten dann die nächsten 50 bis 60 Jahre“, sagt Weißmann.
200 Meter pro Stunde
Die Maschine stammt aus dem Fuhrpark eines schwäbischen Bauunternehmens. Ihr Einsatz kostet rund 40000 Euro am Tag. Ungefähr 200 Meter pro Stunde legt der Gleisumbauzug zurück und benötigt so nur knapp zwei Tage für den Schwellentausch auf dem rund 2,5 Kilometer langen Teilstück. Was im Schritttempo passiert, ist eigentlich Hochgeschwindigkeit: „Ohne diese Spezialmaschine würden wir mehrere Wochen für die Erneuerung dieses Gleisstückes brauchen. Auch der Personalaufwand wäre um ein Vielfaches höher“, betont Weißmann die Vorzüge des Gleisumbauzugs.
Der Wechsel der Gleisschwellen auf diesem Teilstück der Linie S6 im Brötzinger Tal ist nur eine von 20 Einzelbaumaßnahmen, die auf der Stadtbahnstrecke zwischen Pforzheim und Bad Wildbad in den Sommerferien durchgeführt werden, bis der Bahnverkehr hier ab dem 10. September wieder rollt. Neben Brückenarbeiten finden auch Arbeiten am Gleiskörper, Felswand- und Vegetationsarbeiten statt. Rund 150 Personen sind mit leichtem und schwerem Gerät während der Streckensperrung auf den verschiedenen Baustellen im Einsatz.