Heimsheim
Enzkreis -  14.08.2022
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Einblick in Sachschäden des Kriegs: Kreisarchiv erschließt Aktenbestand der Ausgleichsämter

Enzkreis. „Wir freuen uns, wieder ein Puzzleteil in unsere Aktenbestände einfügen zu können“ berichtet Heike Sartorius, Diplom-Archivarin beim Kreisarchiv des Enzkreises. Sie spricht vom frisch erschlossenen Aktenbestand der ehemaligen Ausgleichsämter für die Gemeinden im heutigen Enzkreis, den der Historiker Volker Ziegler in den vergangenen Monaten für das Kreisarchiv bearbeitet hat. Die Ausgleichsämter waren bundesweit auf Grundlage des Lastenausgleichsgesetzes von 1952 auf Ebene der Land- und Stadtkreisverwaltungen gebildet worden. Menschen, die Kriegsschäden erlitten hatten, sollten auf diesem Wege finanzielle Entschädigung erhalten.

Die Unterlagen, die im Jahr 2016 zur dauernden Aufbewahrung an das Kreisarchiv abgegeben worden waren, stammen aus dem Zeitraum ab den 1940er-Jahren bis etwa 1975. Dabei handelt es sich vor allem um Akten zur Entschädigung von Kriegssachschäden, die in Enzkreis-Gemeinden entstanden. Es geht aber auch um Aufbaudarlehen für die gewerbliche Wirtschaft, freie Berufe und die Landwirtschaft, die einen Blick in die Maßnahmen des Wiederaufbaus ermöglichen.

Umfangreich sind die Teilbestände der Flüchtlingsausweise mit Antragstellern aus den Ausgleichsämtern der Landkreise Leonberg, Pforzheim und dem Enzkreis. „Weniger umfangreiche, aber nicht weniger wichtige Unterlagen wurden zum Beispiel zum Soforthilfegesetz, zum Häftlingshilfegesetz und Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetz sowie zum Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener überliefert“, erläutert Sartorius.

Akten wurden geteilt

Bei der Auflösung des Ausgleichsamts 2015 gingen die Unterlagen zu Vertreibungsschäden an das Bundesarchiv, weshalb Teile aus Akten herausgelöst wurden. So gelangte der Teil einer Akte, die den Vertreibungsschaden behandelte, an das Bundesarchiv nach Bayreuth, der andere Teil, der zum Beispiel das Aufbaudarlehen betraf und sich damit auf den Wohnort des Heimatvertriebenen bezog, an die kommunalen Archive.

Die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge finden im Archiv trotzdem einen gewissen Niederschlag, etwa bei den Aufbaudarlehen oder beim Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener, vor allem aber bei den Akten zu den Flüchtlingsausweisen.

Einsichtnahme nicht möglich

„Allerdings gibt es einen Wermutstropfen für alle, deren Interesse geweckt wurde, einmal im Archivbestand zu schnuppern: Die Einsichtnahme in die Unterlagen ist derzeit in den meisten Fällen nicht möglich. Das liegt daran, dass hier die vorgeschriebenen Schutzfristen für personenbezogenes Schriftgut noch nicht abgelaufen sind“, wie Sartorius betont. Die Erstellung eines Findbuchs – auch zur Online-Recherche – sei jedoch geplant. Für Anfragen können sich Interessierte per Mail an kreisarchiv@enzkreis.de an das Kreisarchiv wenden. Dort wird geprüft, ob in Ausnahmefällen ein Antrag auf Verkürzung der Schutzfristen gestellt werden kann.

„Wie aktuell Geschichte ist, zeigt heute das unfassbare Ausmaß an Zerstörungen von Gebäuden, Infrastruktur und vor allem an Menschenleben in der Ukraine“, so Sartorius. „Bei Beginn der Aktenbearbeitung lag uns ein historischer Bestand vor, der uns aus der Vergangenheit erzählte. Nun, nach Ende der Erschließung, erfährt dieser Bestand eine Aktualität, die niemand erwartet und gewünscht hätte.“

Autor: enz