Heimsheim
Enzkreis -  10.12.2025
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In nur einem Jahr stürzt die Klinik Neuenbürg finanziell ab: Erklärungsansätze fürs 11-Millionen-Defizit

Enzkreis/Neuenbürg/Mühlacker. Die RKH Krankenhäuser im Enzkreis stecken plötzlich extrem tief in der Verlustzone. Vor allem wegen des Standorts Neuenbürg, einst ein Hoffnungsträger wegen der Spezialisierung etwa als Gelenkzentrum. Doch nun verzeichnet das kleine Haus Erlöseinbrüche und schlecht ausgelastete Betten. Behadlungstermine werden abgesagt. Anders das Bild beim Krankenhaus in Mühlacker: Dort steigen die Patientenzahlen stetig. Die PZ schaut sich mögliche Erklärungen genauer an.

Gelenk-OP hier bei der RKH in Markgröningen: In Neuenbürg waren solche Behandlungen lange Jahre lang die Stütze, nun gehen die Zahlen zurück.
Gelenk-OP hier bei der RKH in Markgröningen: In Neuenbürg waren solche Behandlungen lange Jahre lang die Stütze, nun gehen die Zahlen zurück. Foto: MARTIN STOLLBERG

Es war einmal ein überraschender Hoffnungsträger, das kleine Krankenhaus in Neuenbürg. Überraschend, weil derart kleine Häuser damals oft vor dem Aus standen. Diesem Schicksal entkam die Klinik durch die Verpflichtung des orthopädischen Chirurgen Professor Dr. Stefan Sell und den Aufbau des Gelenkzentrums Schwarzwald 2015. Diese Spezialisierung hat die Einrichtung sogar lange Zeit wachsen lassen. Neue Spezialabteilungen wie das Süddeutsche Rheumazentrum kamen hinzu. Und jetzt der plötzliche Absturz zurück in die Rolle des Sorgenkinds. An dem regelrecht explodierten Defizit der Enzkreis-Kliniken, mit denen die Muttergesellschaft RKH Gesundheit für 2026 rechnet, hat Neuenbürg den größten Anteil. Binnen nur eines Jahres wächst dort das Minus laut RKH von 5,78 Millionen Euro in diesem auf 11,3 Millionen im kommenden Jahr. Praktisch eine Verdopplung.

Warum ist das so? Die Fragen von PZ-news dazu hat die RKH gestern noch nicht beantwortet. Aber den Kreisräten, die zustimmen mussten, dass der Kreis für den Gesamtverlust der Enzkreis-Kliniken von 17 Millionen Euro geradestehen und weitere rund 3,3 Millionen als Zuschuss für Investitionen und anderes aufbringen muss, hat der Enzkreis als Träger der Kliniken einige Erklärungsansätze gegeben. Diese Zahlen sprechen dafür, dass neben der derzeitigen Strukturkrise im Krankenhauswesen eigene Probleme dazukommen.

Tatsächlich spricht das Landratsamt in seiner Vorlage für den Kreistag von einem Einbruch der Erlöse durch Behandlungen. Und das heißt: Anders als in Mühlacker, das bei den Patientenzahlen weiter zulegt, haben Menschen der Neuenbürger Einrichtung, die durch geplante Operationen geprägt ist, zuletzt den Rücken gekehrt. Die Verwaltung spricht von „anhaltenden Terminabsagen von Patientinnen und Patienten“. Von zuletzt 80 belegbaren Betten seien im Schnitt nur 44 belegt gewesen. Tendenz zum Jahresende mit den Feiertagen weiter sinkend.

Noch so eine Überraschung. In diesem Sommer erst hatte die RKH stolz darauf verwiesen, dass Mühlacker und Neuenbürg 2024 mehr Patienten auf den Stationen behandelt habe als vor der Corona Pandemie. Gegen den Bundestrend. In den Enzkreis-Kliniken waren es damals fast 12.600 Patienten – 1000 mehr als 2019. Diese Zahlen finden sich noch immer auf der Internetseite der RKH. Der Neuenbürger Einbruch ist dabei also noch nicht berücksichtigt.

Am Vergleich mit 2019 zeigt sich übrigens auch, dass neben Neuenbürgs eigenen Sorgen auch Strukturprobleme eine Rolle spielen, die auch Mühlacker treffen. Nicht, dass kleine Kliniken wie im Enzkreis in der jüngeren Vergangenheit jemals Gewinn hätten erzielen können. Aber das Defizit war 2019 noch im Rahmen – und zu fast gleichen Teilen auf beide Häuser verteilt. 2019 stand das Minus in Neuenbürg noch bei „nur“ 1,57 Millionen Euro, in Mühlacker bei 2,2 Millionen. Und das in einem Jahr, in dem die Neuenbürger Behandlungszahlen auch schon hinter dem Plan zurückgeblieben waren – wegen Personalausfällen und dem Weggang eines Oberarzts.

Trotzdem war die wirtschaftliche Situation eine ganz andere. Seit damals sind viele Hauptkostenblöcke enorm gestiegen. Sach- und Energiekosten etwa oder Löhne und Gehälter. Einen Ausgleich, beklagen die Kliniken, gebe es dafür nicht durch Kassen, Bund oder Land. Baden-Württemberg bleibe zudem einiges Geld für Investitionen schuldig. Hinzu kam Personalmangel in der Pflege, der mit Zeitarbeitskräften aufgefangen werden musste. Teure Lösungen. Solche Faktoren hatten die roten Zahlen in beiden Häusern zuletzt auf über 5,5 Millionen hochgeschraubt. Doch Neuenbürg geht nun weit auch darüber hinaus.

Entsprechend gibt der Enzkreis die Folgen im Unternehmensplan wieder, bei dem die Chefärzte eng einbezogen würde: Für Mühlacker, wo das Krankenhaus einmal mehr die gesetzten Wachstumsziele erreicht, halte die RKH an der Leistungsplanung für den Standort fest. Ganz anders in Neuenbürg: Dort würden die Ansätze neu bewertet und nach unten geschraubt. Kurzfristiges Ziel sei eine kurzfristige Stabilisierung. Einsparpotenziale für die Enzkreis-Kliniken insgesamt würden im Personalbereich auf rund 2,5 Millionen Euro taxiert, eine ähnliche Größenordnung wittert man bei den Sachkosten. Neu organisieren will man die Patientensteuerung, baut auf die medizinischen Schwerpunkte, einen Generationswechsel in Schlüsselpositionen und ein zentrales Management der Belegung. Maßnahmen, die für ein Defizit wie zuletzt in Neuenbürg nicht ausreichen werden, meint man im Landratsamt.