Heimsheim
Heimsheim -  16.07.2019
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Prozess nach brutaler Attacke im Gefängnis: Eine Tat "wie im Blutrausch"

Heimsheim/Pforzheim. Ein verurteilter Mörder hat eine Justizvollzugsbeamtin verbrüht und auf sie eingeschlagen. Vor dem Schöffengericht in Pforzheim zeigt der Täter keine Regung. Er bleibt wohl bis ans Lebensende in Haft.

Es war eine brutale, geplante Attacke auf eine Beamtin der Justizvollzugsanstalt Heimsheim, die das Schöffengericht um Amtsgerichtsdirektor Oliver Weik am Dienstag mit einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ahndet. Doch das Urteil spielt fast eine Nebenrolle in diesem Verfahren gegen einen Mann, der seit 1969 wegen des bestialischen Mordes an einer jungen Frau in verschiedenen Gefängnissen saß. Nach Weiks Überzeugung bleibt Andreas O. (Name geändert) „bis zu seinem Ableben“ hinter Gittern. Der Mann wolle die Freiheit selbst nicht mehr. Dennoch hat er nach einem Streit mit der JVA-Leitung über seine vermüllte Zelle das Berufsleben der heute 54-jährigen Beamtin beendet. Noch im Zeugenstand hört man der zitternden Frau an, wie sehr ihr psychisch zusetzt, was am 28. Januar 2017 passiert ist.

Die Beamtin war an diesem Morgen kurz nach sieben Uhr bei der sogenannten Lebendkontrolle. „Dazu haben wir die Zellen geöffnet, um zu sehen, ob die Gefangenen in Ordnung waren“, sagt sie. Da lauerte O. aber schon hinter der Tür. Im Wasserkocher hatte er ein Wasser-Öl-Gemisch erhitzt, das er der Beamtin über Kopf und Arme goss. Dann drängte er die verbrühte Frau in den Flur und prügelte auf sie ein. Ihr hinzueilender Kollege konnte den Angreifer nicht stoppen. Selbst nach einem Tritt in den Magen ging der Häftling wieder zum Angriff über. „Wie im Blutrausch“ sei der Mann gewesen: So fasst Richter Weik die übereinstimmenden Aussagen der Betroffenen auf. Erst weitere JVA-Beamte sicherten den Täter.

Die vielen Wunden des Opfers von damals sind verheilt. Ihre Psyche nicht. Der Täter saß jahrelang in der Zelle in ihrem Zuständigkeitsbereich. Wie Hohn muss für sie seine Tatbegründung mit dem Entrümpelungsstreit klingen: „Wer heute die Tür öffnet, hat Pech“, schrieb O. auf einen Zettel. Getroffen hat es die Beamtin, die mit dem Streit nichts zu tun hatte. Eine willkürliche, blutige Attacke: Diese Bilder suchen auch den heute 38-jährigen Kollegen noch heim, der damals einschritt. Auch er war ein Jahr dienstunfähig.

Der Angriff in Heimsheim war geplant, ist Christina Bossert von der Staatsanwaltschaft überzeugt. Einem psychiatrischen Gutachten verweigert sich O. zwar genauso wie jedem Gespräch mit Pflichtverteidigerin Susanne Burkhardt. Trotzdem bleiben im Gericht keine Zweifel. Richter Oliver Weik berücksichtigt in seinem Urteil auch, dass Angriffe auf Justizbeamte in Baden-Württemberg zugenommen hätten. Das bestätigt Martin Nagel, der fürs Justizministerium Betroffene betreut. In Heimsheim sei diese Tendenz gar nicht erkennbar, sagt dagegen Anstaltsleiter Frank Jansen. Die Attacke von 2017 sei auch in ihrer Brutalität eine absolute Ausnahme. „Und sie war für uns nicht vorhersehbar.“ Nach der Tat habe man intensive Gespräche mit den Beschäftigten geführt und das Kriseninterventionsteam eingesetzt, so Jansen. „Für die betroffene Kollegin bin ich dankbar, dass das Verfahren endlich vorbei ist – vielleicht kann sie nun besser damit abschließen.“ Gedauert haben die Ermittlungen vor allem wegen des nötigen Gutachtens – und dessen Behinderung durch den Täter, so Weik.

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Autor: Alexander Heilemann