Heimsheim
Enzkreis -  22.08.2020
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Retter aus der Corona-Zwickmühle: Wie das Gesundheitsamt einer gestrandeten Frau aus Marokko geholfen hat

Enzkreis/Pforzheim. Eine aus dem Kreis stammende Frau hängt seit März mit ihrer Tochter wegen des Virus in Deutschland fest. Kurz vor dem Rückflug dann ein positiver Coronatest. Erst will keiner zuständig sein – bis das Gesundheitsamt Enzkreis-Pforzheim eingreift.

An die Öffentlichkeit geht Alexandra Latchini aus Dankbarkeit. Heute soll die Frau, die aus dem Enzkreis stammt, aber in Marokko lebt, mit ihrer Tochter endlich nach Hause fliegen können. Ohne das Gesundheitsamt ihrer alten Heimat, davon ist sie überzeugt, wäre ihre Corona-Odyssee zwischen Ländern und Behörden noch lange nicht zu Ende.

Aber der Reihe nach: Ein Krankenbesuch bei Familienangehörigen in Berlin im März hat sich wegen Corona für sie über Monate verlängert. Erst war sie mit ihrer Tochter direkt im Lockdown gelandet – und im Aus für den internationalen Flugverkehr, der teilweise noch immer stark eingeschränkt ist. Sie machte das Beste daraus, verband ihre Strandung auch mit dem Besuch von Familie und Freunden im Enzkreis. Als sich aber Anfang August die Chance zum Heimflug ergab, stoppte sie ein positiver Corona-Test. Das Ergebnis hatte sie mit ihrer negativ getesteten Tochter noch im Flughafenhotel abgewartet – und blieb niedergeschmettert gleich dort. „Wir sind sozusagen selbst in Quarantäne“, sagt Alexandra Latchini.

„Die beiden wollten von Anfang an alles absolut richtig machen“, sagt Tim Sottona im Gesundheitsamt an der Pforzheimer Bahnhofstraße. Umso mehr hätten es Mutter und Tochter verdient, dass man sich um ihre Situation kümmert. Das sei aber zunächst nicht passiert, sagt Alexandra Latchini. „Die Leute im Hotel waren hilfsbereit und hatten Verständnis, aber zwischen den Behörden sind wir erst einmal hin und her verwiesen worden. Keiner wollte für uns zuständig sein.“

Das hatte auch mit ihrer ungewöhnlichen Konstellation zu tun. 2007 war sie mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann nach Marokko, sei aber auch am Wohnort der Eltern im Enzkreis noch gemeldet gewesen, erzählt sie. Durch ihren unfreiwillig langen Aufenthalt in Berlin habe sie sich auch dort im April bei den Behörden angemeldet. Das Coronatestergebnis wiederum erreichte sie am Flughafen Frankfurt. Weder bei den hessischen Gesundheitsbehörden noch in Berlin sei sie weitergekommen, sagt Alexandra Latchini. Dann half ihr ausgerechnet der Umstand, dass sie einige Kontaktpersonen aus dem Enzkreis über ihren positiven Test informiert hat. „Über die Corona-Hotline kam der Fall zu uns“, sagt Sottona, der das Gesundheitsamt Enzkreis-Pforzheim als sogenannter RKI-Scout unterstützt. RKI steht dabei fürs Robert Koch Institut, das medizinischen Nachwuchs für den Pandemiekampf geschult hat.

Das Enzkreis-Team machte sich an die Arbeit, die Kontaktpersonen anzusprechen und ihr Infektionsrisiko einzuschätzen. Sottona war es, der den Draht zu den Gestrandeten im Flughafenhotel herstellte.

„Er hat jeden Tag angerufen, um zu erfahren, wie es uns geht“, sagt Alexandra Latchini.

Sie beschreibt das als einen emotionalen Anker in der ziemlich verzweifelten Lage. Durch den Enzkreis und Pforzheim sei endlich Bewegung in ihren Fall gekommen. „Die haben Druck gemacht – und kurz darauf war jemand vom Gesundheitsamt vor Ort bei uns“, sagt die Mutter. Das Team habe von der Bahnhofstraße aus diese wichtigen Verbindungen hergestellt, sagt Sottona. Hessen verweist Reisende zwar an Gesundheitsämter ihres gemeldeten Erstwohnsitzes – „aber sinnvollerweise muss jemand dort nachschauen, wo der Patient sich aufhält.“

Mutter und Tochter, die zuvor im kleinen Hotelzimmer auf Abstand bleiben mussten, kamen in eine größere Unterkunft. Weitere Tests blieben ohne Coronabefund. Ende einer psychisch belastenden Odyssee für die Latchinis. Ein denkwürdiger Fall für das Gesundheitsamt. Für die Betroffenen seien positive Coronatests oder Quarantänen aufwühlend, sagt Sottona: „Da sind wir manchmal auch psychologisch gefordert.“

Autor: hei