Heimsheim
Enzkreis -  17.08.2025
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Stromleitungen, die Jahre brauchen? PZ zeigt, welche Rolle wir alle bei den ewigen Baustellen spielen

Enzkreis/Pforzheim. PZ-Leser wundern sich, warum es gefühlt ewig gedauert hat, ehe die neue Stromleitung bei Ispringen, Pforzheim und Kieselbronn an der A 8 jetzt so langsam fertig wird. Doch dieses Projekt, das schon 2012 für heiße Debatten gesorgt hat, ist nur ein Beispiel dafür, wie wir Bürger einiges dazu beitragen, dass Bauprojekte so viel Zeit brauchen. Besonders deutlich wird das bei der Windkraft: Auch Menschen, die sonst vielleicht auf Bürokratie schimpfen, können bei Energieprojekten gar nicht genug davon bekommen. Denn die detaillierten Regulierungen haben mit unseren Wünschen nach größtmöglicher Gerechtigkeit und geringstmöglichen Beeinträchtigungen zu tun.

Strommasten Seilspannung Ispringen A8
Arbeiter bringen im August 2023 die Seile der neuen Stromleitung an der A 8 auf Höhe von Ispringen an. Mittlerweile ist die 14-Kilometer-Leitung zwischenBirkenfeld und Ötisheim im Endspurt – nach Vorlauf seit 2012. Foto: Röhr

Eine Kolumne von PZ-Redakteur Alexander Heilemann

Überall Bagger, Lastwagen, Absperrungen und Umleitungen! Ächz! Stöhn! Ja, es ist ein altbekanntes Klagelied im Sommer. Gerade auch jetzt mit vielen parallel laufenden Großprojekten. Aber im Lauf der Zeit kristallisiert sich ein neuer Refrain heraus, der besingt, wie lange das alles dauert. Uff! Jüngstes Beispiel ist eine Leserfrage zu den Arbeiten an der großen Stromleitung zwischen Birkenfeld und Ötisheim. Am Wochenende war die A 8 nachts dafür gesperrt. „Mich würde interessieren, wann endlich die Baumaßnahmen abgeschlossen sind“, so der Leser. Das ist schnell beantwortet. Mitte oder Ende September soll die neue Leitung in Betrieb gehen, so Malte Scholz, Sprecher der Bauherren von TransnetBW. Aber warum, fragt der Leser, braucht es hierzulande für so eine kurze Leitung „gefühlt fünf Jahre“? Das ist kompliziert. Versuchen wir es hier mal aufzudröseln.

Zum einen: Zur Stromleitung gab es die ersten Schlachten schon 2012! Vor 13 Jahren, nicht vor fünf. In Pforzheims CongressCentrum kamen damals Menschen aus allen betroffenen Gemeinden zusammen, um darüber zu streiten, wie man die Leitung auf Abstand von Anwohnern halten kann. In mühseliger Detailarbeit wurde die Trasse erkämpft, auf der heute gebaut wird. Auch damit werden viele immer noch unglücklich sein. Aber für diese Mühen, für dieses manchmal schmerzhaft zähe Abwägen gab es gute Gründe. Gibt es immer. Und auch wenn natürlich viel bürokratischer Wahnsinn die Projekte verzögert – dahinter steht immer die Rücksichtnahme auf direkt Betroffene.

Bevor irgendetwas gebaut wird, wird untersucht. Und zwar lange. Gerne auch mehrfach, wenn beispielsweise ein bereits erschlossenes Gewerbegebiet noch mal geändert wird, damit sich ein Supermarkt dort ansiedeln kann. Dass vorher viel begutachtet und ausgeglichen wurde, erspart einem nicht den erneuten Blick auf Natur und Artenschutz. Aber dass jetzt niemand wegen der Bürokratie aufheult. Vielen von uns kann es nämlich gar nicht bürokratisch genug sein, wenn es um Dinge geht, die unser eigenes Lebensumfeld betreffen. Das Paradebeispiel dafür sind die unvorstellbar aufwendigen Verfahren für Windkraftanlagen. Jahrelang werden da Studien angefertigt, wird gemessen, werden Lebensräume von Vögeln und anderen Tieren untersucht, Lärm errechnet und so vieles mehr. All das übrigens, ohne dass man sagen kann, ob am Ende ein Windrad gebaut wird oder nicht. In Engelsbrand ist ein interessiertes Unternehmen im 14. Jahr seiner Bemühungen um zwei Anlagen. Und doch gibt es bekanntermaßen sehr viele Menschen, denen es mit der Windenergie noch viel zu leicht vorangeht.

Es ist alles eine Frage der Perspektive. Das sollten wir uns beim Schimpfen auf „die Bürokratie“ immer vor Augen halten: Eine Menge davon hat mit uns allen zu tun. Mit unseren Ansprüchen auf größtmögliche Gerechtigkeit, auf größtmögliche Rücksichtnahme, auf geringstmögliche Beeinträchtigungen. All das ist schwer zu erreichen. Und das dauert!