Heimsheim
Enzkreis -  29.04.2020
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Virtuelle Regionalkonferenz: Regionale Firmen rechnen noch mit langer Durststrecke

Pforzheim. Die Notwendigkeit des Breitbandausbaus wurde am Dienstag einmal mehr eindrucksvoll dokumentiert – und das ausgerechnet bei einer digitalen Premiere: die virtuelle Regionalkonferenz der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald. Zwei Stunden tauschten sich weit über 100 Teilnehmer aus Politik und Wirtschaft darüber aus, wie die Rückkehr zur Normalität nach der Corona-Krise aussehen könnte. Egal ob aus dem Landtag in Stuttgart zugeschaltet, im Büro oder im heimischen Arbeitszimmer unter Schwarzwaldtannen – immer wieder hatten die Akteure mit Problemen bei der Bild- und Tonübertragung zu kämpfen. Letztlich wurde aber deutlich, dass man in der Sache an einem Strang zieht.

„Wir wollen schnell aus der Krise herauskommen und gemeinsam etwas für unsere mittelständisch geprägte Region erreichen“, machte eingangs Jochen Protzer, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Nordschwarzwald (WFG) deutlich. Nur dann könne man die Wirtschaft rasch wieder hochfahren.

Aus der betrieblichen Praxis berichtete die Horber Unternehmerin und IHK-Präsidentin Claudia Gläser. „Mit der Soforthilfe des Landes Baden-Württemberg konnte die größte Not in den kleinen Unternehmen gelindert werden“, sagte Gläser.  16000 Anträge wurden von der IHK bearbeitet und an die L-Bank weitergereicht. Ein Großteil der Unternehmen sei in Kurzarbeit. Nach Gesprächen mit dem Maschinenbauverband VDMA rechnet Gläser noch mit einer mindestens drei- bis sechsmonatigen Durststrecke. Die Lieferketten seien – anders als in der Finanzkrise 2008/09 – weitgehend zusammengebrochen. Immerhin gebe es leichte Erholungstendenzen bei der Nachfrage aus China.

Das bestätigte auch Patrick Stöber, dessen gleichnamiges Traditionsunternehmen für Antriebskomponenten in der Industrie zuständig ist. Seit April gibt es Kurzarbeit.  Derzeit spüre man neben Umsatzeinbußen auch höhere Kosten durch verringerte Transportkapazitäten.

Die Digitalisierung könne nicht alle Probleme lösen, doch ein reibungsloser Datenfluss sei Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum, waren sich die Konferenzteilnehmer im Blick auf Glasfasernetze einig.  „Service und Vertrieb liegen am Boden“, machte Gläser deutlich.  Der persönliche Kontakt vor Ort und der Austausch auf Messen weltweit fehle für Exportgeschäfte und erschwere den Start nach der Krise.  

Gerd Lutz, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Karlsruhe, sieht nahezu jeden Mitarbeiter im Handwerk von der Krise direkt oder indirekt betroffen. Friseure, Kosmetiker, der Kfz-Handel, aber auch Gastronomie trugen dabei die Hauptlast.

Professor Bernhard Kölmel von der Hochschule Pforzheim sieht die Corona-Pandemie lediglich als Brandbeschleuniger. Die Wirtschaft sei durch die globalen Risikofaktoren ohnehin geschwächt. Manche Unternehmen nutzten die Krise jetzt als Vorwand, um ohnehin geplante Maßnahmen wie Produktionsschließungen und Entlassungen umzusetzen.

Thomas Satinsky, geschäftsführender PZ-Verleger, schilderte die schwierige Arbeit in einem Medienhaus, das auch in Krisenzeiten auf allen Kanälen umfassend informiere. Man verstehe sich dabei als seriöser und kritischer Beobachter in wirtschaftlich überaus schwierigen Zeiten.

Bad Wildbads Bürgermeister und Vorsitzender des Regionalverbands, Klaus Mack, sieht den Tourismus als großen Verlierer der Krise. „Die Betriebe mussten als erste schließen und werden wohl als letzte wieder öffnen.“  Jedem dritten Gastronomieunternehmen drohe die Pleite. Deshalb wurde auch bei der gestrigen Konferenz der Ruf nach einem Rettungsschirm laut.

Hans Neuweiler, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Pforzheim Calw, lobte die Politik  für die massiven Hilfsmaßnahmen für Unternehmen. „Wir sind weiterhin flächendeckend  für eine Beratung ansprechbar“, sagte Neuweiler. „Um die Firmen durch den Dschungel der Förderprojekte zu leiten.“

Die regionalen Bundestagsabgeordneten Gunther Kirchbaum (CDU) und  Katja Mast  (SPD) sowie SPD-Parteichefin Saskia Esken verteidigten die maßvollen Lockerungen der Maßnahmen im Kampf gegen Corona. Im Blick auf die USA mit 22 Millionen Arbeitslosen stehe Deutschland dank seinen Förderprogrammen und den umfangreichen Kurzarbeit-Regelungen gut da, so Mast. „Eine beispiellose Kraftanstrengung“, sagte Krichbaum, der ebenso wie AfD-Landtagsabgeordneter Klaus Dürr – zugeschaltet aus dem Stuttgarter Landtag – mit technischen Problemen zu kämpfen hatte.

Autor: Lothar Neff