Illingen -  11.05.2025
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Eine Übung mit Seltenheitswert: Feuerwehren und DRK evakuieren ICE im Illinger Bahntunnel

Illingen. Ratternd und rasselnd fährt das Stahlgestell bei dieser Übung die Gleise entlang, immer weiter bis zu dem Bereich, in dem eine Türe geöffnet ist. Es handelt sich um eine sogenannte Rettungslore, die zum Abtransport der Menschen dient, die die Einsatzkräfte kurz zuvor aus dem Inneren des Zugs befreit haben. Außerhalb von Illingen steht die eine Hälfte des Intercity-Expresses (ICE) im Burgbergtunnel, die andere davor in der prallen Sonne. Überall sind Ehrenamtliche der Feuerwehr, des Roten Kreuzes und des Technischen Hilfswerks im Einsatz, auch an den Gleisen und an dem Hang, der neben dem Tunnel in die Höhe ragt. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Katastrophenszenario, ist zum Glück nur eine großangelegte Übung, organisiert vom Sachgebiet Bevölkerungsschutz des Landratsamts.

Bei der Übung im Tunnel muss jeder Handgriff sitzen. Gleich werden die Rettungskräfte einen Rollstuhlfahrer aus dem stehenden Zug holen.
Bei der Übung im Tunnel muss jeder Handgriff sitzen. Gleich werden die Rettungskräfte einen Rollstuhlfahrer aus dem stehenden Zug holen. Foto: Nico Roller

„Die Stimmung ist sehr gut, das Wetter ist super“, sagt Kreisbrandmeister Carsten Sorg: „Was will man mehr?“ Er hat den Eindruck, dass die Teilnehmer viel gelernt und wertvolle Erfahrungen gemacht haben, die ihnen im Ernstfall zugutekommen. Auf eine „Übung aus einem Guss“ hat Organisator Christian Thümmel bewusst verzichtet und stattdessen fünf Stationen aufgebaut, an denen die Einsatzkräfte verschiedene Szenarien kennenlernen, sowohl praktisch als auch theoretisch.

Sie kommen unter anderem von den Feuerwehren in Illingen, Knittlingen, Sternenfels, Maulbronn und Mühlacker, zudem von der Führungsunterstützungseinheit in Mönsheim und von der vierten Einsatzeinheit des Roten Kreuzes, der mehrere Ortsvereine im östlichen Enzkreis angehören. Das DRK Remchingen kümmert sich um den Sanitätsdienst, die Tiefenbronner Wehr um die Bewirtung.

Mehr als 200 Personen vor Ort

Insgesamt sind mehr als 200 Personen vor Ort, darunter auch zwölf Jugendliche und junge Erwachsene vom THW Niefern-Öschelbronn und der Feuerwehr Straubenhardt, die Verletzte spielen. Dazu verteilen sie sich im dunklen ICE und rufen um Hilfe, sobald sich die Einsatzkräfte nähern. Schließlich soll das Szenario möglichst realistisch sein. Einige der jungen Leute sind unverletzt und können allein herausgehen, andere müssen getragen werden. Was gar nicht so leicht ist, wenn man bedenkt, dass das Gleisbett anderthalb Meter tiefer liegt. Zum Einsatz kommt eine metallene Plattform, mit der auch ein Rollstuhlfahrer schnell und sicher auf die Rettungslore gebracht wird.

Mit der Übung wollen Thümmel und seine Kollegen vom Sachgebiet Bevölkerungsschutz den Einsatzkräften zeigen, wie komplex die Rettung von Personen aus einem ICE ist, allein schon wegen der Länge des Zugs und wegen der vielen engen Stellen im Inneren. Hinzu kommt auf Bahnstrecken immer das Thema Strom: 15.000 Volt fließen durch die Oberleitungen und springen sofort auf den Menschen über, wenn er ihnen zu nahe kommt. Deswegen können die Rettungskräfte in solchen Bereichen erst aktiv werden, wenn die Deutsche Bahn den Strom abgestellt und sowohl vor als auch nach der Einsatzstelle mit Stangen und einem an der Schiene befestigten Schuh für eine Erdung gesorgt hat.

Mehr als sechs Stunden dauert die Übung an der Schnellfahrstrecke von Stuttgart nach Mannheim, die wegen Sanierungsarbeiten im Freudensteintunnel momentan voll gesperrt ist. Es ist laut Thümmel seit rund zehn Jahren im Enzkreis die erste Übung in dieser Größenordnung. Einsätze gibt es für die Feuerwehren im Gleisbereich nur selten, vielleicht ein- bis zweimal pro Jahr. Oft handelt es sich dann um vergleichsweise harmlose Szenarien wie Schmorbrände, liegengebliebene Züge oder Personen, die im Gleisbett verunglückt sind.

„Etwas wirklich Großes“ ist laut Thümmel zum Glück noch nie passiert. Wenn es nach ihm und Kreisbrandmeister Carsten Sorg geht, kann das auch in Zukunft gerne so bleiben. „Aber man muss trotzdem vorbereitet sein“, betont Sorg.

Der Kreisbrandmeister sieht in der Übung einen vollen Erfolg, auch wegen der vielen verschiedenen Szenarien, die die ehrenamtlichen Einsatzkräfte ruhig und ohne Zeitdruck ausprobieren konnten. Lob gibt es auch für die Deutsche Bahn, die für die Übung nicht nur einen ICE zur Verfügung gestellt hat, sondern überdies einen der bundesweit sieben Rettungszüge, der bei einem echten Einsatz auch vor Ort wäre.