Kieselbronn
Kieselbronn -  24.03.2022
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Das Engagement kennt keine Grenzen: Enzkreis bringt in Kieselbronner Siedlung Flüchtlinge unter

Kieselbronn. Sie streichen Wände, sie spachteln Löcher zu, sie räumen alte Möbel raus, sie putzen Badewannen, Waschbecken und Böden. Rund 80 Ehrenamtliche dürften es sein, die am Mittwochabend Wohnungen in der Siedlung „Reible“ am Ortsrand von Kieselbronn wieder in Schuss bringen. Der Enzkreis hat sie bis ins nächste Frühjahr angemietet, um dort Flüchtlinge aus der Ukraine vorläufig unterzubringen.

Freiwillige Kieselbronner, Helfer aus den Vereinen – viele packen in den Räumen der zum Abriss vorgesehenen Wohnblöcke im „Reible“ mit an, damit Flüchtlinge dort kurzfristig gut leben können.
Freiwillige Kieselbronner, Helfer aus den Vereinen – viele packen in den Räumen der zum Abriss vorgesehenen Wohnblöcke im „Reible“ mit an, damit Flüchtlinge dort kurzfristig gut leben können. Foto: Roller

„Das ist der absolute Hammer“, sagt Jens Augenstein, der die Aktion ins Rollen gebracht hat – und zwar am selben Tag nur wenige Stunden vorher. Er ist Mitglied beim FC Kieselbronn und hat per WhatsApp dessen Fußballgruppen angeschrieben. Zudem schickte er die Informationen an alle seine Kontakte, auch an Felix Reimer, den stellvertretenden Kommandanten der Feuerwehr. „Wie ein Schneeballsystem“ habe sich der Aufruf immer weiter verbreitet, erzählt Augenstein, der es kaum fassen kann, wie viele Menschen in kürzester Zeit mobilisiert werden konnten.

Zahlreiche Vereine und Organisationen beteiligen sich: neben dem FC Kieselbronn unter anderem die Gugge Gaiße, das Rote Kreuz, der Turnverein und die Kirchengemeinde. Auch syrische Flüchtlinge, Konfirmanden und Polizisten helfen mit. „Das ganze Dorf ist auf den Beinen und will einen Beitrag leisten“, sagt Augenstein, der hofft, dass sich diese Hilfsbereitschaft auch auf andere Enzkreis-Gemeinden überträgt.

„Das ist eine ganz besondere Art des bürgerschaftlichen Engagements“, sagt Bürgermeister Heiko Faber: „Solche Aktionen zeichnen Kieselbronn aus.“

In rund 70 Räumen sind die Ehrenamtlichen zugange. „Die Leute möchten etwas tun“, sagt Norbert Bogner: „Ich denke, es ist wichtig, dass man ihnen auch die Möglichkeit dazu gibt.“ Der Geschäftsführer von „miteinanderleben“ koordiniert die Renovierungsarbeiten und ist vom Einsatz der Ehrenamtlichen begeistert. In erster Linie gehe es ums Putzen und ums Streichen von Wänden. In manchen Wohnungen sei mehr, in anderen weniger zu machen.

Von außen sind die Häuser zwar nicht gerade schön, aber im Inneren können sich die ursprünglich einmal für amerikanische Soldaten errichteten Wohnungen durchaus sehen lassen. Alle Wände sind weiß, der Boden besteht mal aus Fliesen, mal aus Laminat. Zwar fehlen teilweise die Zierleisten, zwar hängen teilweise nur Glühbirnen in den Räumen. Aber das dürfte den Flüchtlingen ebenso egal sein wie der Umstand, dass die Bäder optisch nicht mehr auf dem aktuellen Stand sind.

Bogner sagt, in erster Linie gehe es um Funktionsfähigkeit und Sauberkeit. Momentan hat er die Schlüssel für 16 Wohnungen in zwei Wohnblöcken. „Aber da werden bestimmt noch ein paar dazukommen.“ Wenn die Ehrenamtlichen mit dem Renovieren fertig sind, werden alle Wohnungen mit einer Grundausstattung versehen, etwa mit Betten, Klamotten, Spielzeug, Hygieneartikeln und Nahrungsmitteln.

Einrichten mit dem Nötigsten

Dass all das vorhanden ist, liegt an den drei Trupps aus ehren- und hauptamtlichen Fahrern, die in der Stadt und im Kreis unterwegs sind, um gespendete Einrichtungsgegenstände abzuholen. Mehr als 250 Angebote sind laut Bogner inzwischen eingegangen. Rund 130 davon haben die Ehrenamtlichen bereits abgearbeitet. Das Eingesammelte bringen sie nach Pforzheim in den alten Schlachthof. Dort werden die Spenden sortiert und passgenau für die einzelnen Wohnungen zusammengestellt – immer auch mit Blick darauf, ob ältere oder jüngere Menschen einziehen.

„Die Menschen brauchen ja ein paar Sachen, wenn sie ankommen“, sagt Bogner: „Da geht es dann auch um so etwas wie eine Zahnbürste.“

Ein halbwegs normales Wohnumfeld mit Spielmöglichkeiten für die Kinder sei für die Menschen enorm wichtig und erleichtere ihnen das Ankommen. Was für die Flüchtlinge hierzulande nicht benötigt wird, geht an den Internationalen Bund, der es in die Ukraine bringt. Bogner rechnet damit, dass die ersten Flüchtlinge schon bald nach Kieselbronn kommen. Einen genauen Zeitpunkt kann die Enzkreis-Pressestelle auf Nachfrage zwar nicht nennen. Aber sie hält es für möglich, dass die ersten „schon Ende dieser Woche“ kommen. Insgesamt könnte es sich um bis zu 120 Personen handeln, was aber „von den jeweiligen Familienkonstellationen“ abhänge.

Autor: Nico Roller