Knittlingen
Knittlingen -  09.03.2020
Artikel teilen: Facebook Twitter Whatsapp

Schwäbisch ist mehr als sexy: Ostalb-Blues rockt im Cellarium

Knittlingen. Die geballte Wucht dieser musikalischen Mixtur zündet sofort: Irish Folk, Schwaben-Rock und ein Spritzer Blues verleihen der Band „Wendrsonn“ schlagartig Durchschlagskraft im bestens besuchten Cellarium. „Ostalb-Blues“, konkretisiert Markus Stricker geografisch, „die kalte Region um Aalen, in der, anders als hier im rucksackschwäbischen Knittlingen noch rein gar nichts blüht“.

Bandleader Markus Stricker lebt, textet und komponiert in Sulzbach-Murr, an der Sprachgrenze zwischen Schwäbischer und Hohenlohischer Mundart, einem Teil der Ostfränkischen Dialektgruppe. Das rollende R der Menschen in Aalen fasziniert ihn ungefähr so wie der nahtlose Wechsel zwischen himmelhoch jauchzender Euphorie und nachdenklicher Melancholie, die von Anfang an ein Kennzeichen der Musik von „Wendrsonn“ war und ist. Für weitere Ausrufezeichen sorgt die Band mit der ausdrucksstarken Stimme der flachsblonden Frontfrau Biggi Binder, mit den Gitarren-Riffs, Banjo- und Bouzouki-Soli von Micha Schad und mit dem künstlerischen Freiraum, den in erster Linie Ausnahmegeiger Klaus Marquardt mit faszinierenden sphärischen Klängen zu füllen weiß.

Die „Message“ von „Wendrsonn“ erschöpft sich keineswegs mit Statements wie „Schwäbisch ist sexy“: Das Sextett – Biggi Binder (Gesang und Flöten), Markus Stricker (Gesang und Keyboards), Klaus Marquardt (Violine), Ove Bosch (Bass) und Rob Wittmaier (Schlagzeug) – schafft beispielsweise mit dem Song „Gega dr Wend“ auch eine wichtige Plattform für stille Helden, für Andersdenkende und für sonst vergessene Querdenker, wie die Gebrüder Andreas und Georg Bückle, die, so Markus Strickers Aussage „den Menschen der Alb von Liebe predigten, dadurch mit der Amtskirche in Konflikt kamen und in die Heilanstalt Zwiefalten eingewiesen wurden, wo sie rechtlos mehrere Jahrzehnte gefangen gehalten wurden“. Von Andreas Bückle, der im Ersten Weltkrieg verwundet wurde, ist noch überliefert, dass er 1940 in Grafeneck vergast wurde.

Ein heiteres Gegengewicht folgt mit dem Uptempo „Honey“, das direkt ins Tanzbein ginge, wäre das Cellarium nicht proppenvoll. Das in jeder Phase seh- und hörenswerte Konzert klingt mit der Hymne „Geile Zeit“ und mehreren Zugaben wie dem getragenen Solo „Woisch no?“ von Biggi Binder aus – und dem Versprechen in einem Jahr wieder ins Cellarium zu kommen.

Autor: Robin Daniel Frommer