Maulbronn
Maulbronn -  23.09.2025
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Drei Monate Freiheitsstrafe wegen sexueller Belästigung: 60-Jähriger vor dem Amtsgericht Maulbronn verurteilt

Maulbronn. Am Ende redete Amtsgerichtsdirektor Bernd Lindner im Amtsgericht in Maulbronn dem Angeklagten noch einmal ordentlich ins Gewissen. „Das geht überhaupt nicht“, so der Richter zum Angeklagten. Zuvor hatte er das Urteil verlesen. Es lautete: Drei Monate Freiheitsstrafe wegen sexueller Belästigung. Wohl gemerkt, ohne Bewährung.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte die 16-jährige Jugendliche unter einem Vorwand an seinen Schultaxi-Van gelockt hat.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte die 16-jährige Jugendliche unter einem Vorwand an seinen Schultaxi-Van gelockt hat. Foto: Tinnakorn - stock.adobe.com

Der Hintergrund zum Urteil: Das Gericht war überzeugt, dass der 60-jährige Schultaxi-Fahrer Mitte November 2024 an einer Schule im östlichen Enzkreis eine Jugendliche auf die Fahrerseite seines Vans gelockt und ihr unter dem Vorwand, er müsse ihr ein Geheimnis ins Ohr flüstern, das unter ihnen bleiben müsse, einen Kuss gegeben hat. Lindner blieb bei seinem Urteil unter den von der Staatsanwaltschaft, vertreten durch Aylin Karabulut, geforderten sechs Monaten. Ein junges Mädchen zu sich auf die Seite des Schulbusses zu locken überschreite die Schwelle. „Das geht gar nicht“, wiederholte Lindner. Wäre der Mann Ersttäter gewesen, hätte der 60-jährige Angeklagte womöglich eine Geldstrafe bekommen, „aber das sind Sie nicht“, so der Amtsgerichtsdirektor. Laut Gericht hat der Mann drei Eintragungen im Bundeszentralregister wegen exhibitionistischer Handlungen und unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Während der Tat sei der Mann noch auf Bewährung gewesen. Der 60-Jährige habe sich nicht eingestanden, ein Problem zu haben, so der Richter. Auch eine Entschuldigung bei der Geschädigten wäre angemessen gewesen. Dies wollte der Mann allerdings auch nicht machen. „Wie soll man da besondere Umstände herleiten?“, fragte Lindner.

„Das Gericht kann keinen Zweifel haben, dass das Geschehen so passiert ist, wie es die Zeuginnen hier geschildert haben“, sagte er bei der Urteilsverkündung.

Anders sah es logischerweise Verteidiger Nicolas Woltmann: Er forderte einen Freispruch für seinen Mandanten. Der Maßstab, ein Urteil zu fällen, hänge davon ab, einen Sachverhalt zu konkretisieren und feststellen zu können. Er sah in den Aussagen der Geschädigten und ihrer Freundin – diese war als Zeugin geladen – Widersprüche. Deswegen lasse sich der Sachverhalt nicht erhärten. Er schließe sich der Aussage seines Verteidigers an, so der Mann, der sich während des Prozesses außer bei der Schilderung seines Lebenslaufs wortkarg gab. „Ich habe mich einfach ekelhaft gefühlt“, sagte die mittlerweile 16-jährige Geschädigte. Sie habe gewartet, bis ihre Freundin aus der Schule gekommen sei, und habe sich ihr anvertraut. Ihren Eltern habe sie es nicht sagen wollen, so die Jugendliche. Den Angeklagten kenne sie, weil ihre Freundin mit dem Schultaxi zur Schule gebracht werde. Ihre Freundin sei auch diejenige gewesen, die bei der Polizei Anzeige erstattet habe. Sie habe sich nicht mehr getraut, zur Schule zu laufen, so die Jugendliche.

Ob sie nun Tage oder mehrere Wochen danach ihre Aussage bei der Polizei gemacht habe, daran konnte sich das Mädchen nicht erinnern. Auch wer wen angerufen hat, ob sie ihre Freundin oder ihre Freundin sie, darüber gab es verschiedene Aussagen der Jugendlichen.

Die 16-jährige Freundin der Geschädigten, die als Zeugin geladen war, sagte aus, dass ihr ein ähnlicher Vorfall mit dem Angeklagten passiert sei. So soll er ihr während einer Fahrt mit dem Schultaxi bei „fast jeder roten Ampel“ an das Knie getatscht haben und ihr auch gesagt haben, dass sie „so heiß“ sei. Sie habe dann mit der Geschädigten im Taxi über den Vorfall noch geredet. Da ihr dieser ähnliche Vorfall passiert sei, habe sie Anzeige erstattet, so die Zeugin. Als völlig unangemessen wertete Richter Lindner das Verhalten des Mannes. Es sei eine weitere Eskalationsstufe erreicht worden. Gegen das Urteil, dass nun am Amtsgericht Maulbronn gefällt wurde, kann noch Revision oder Berufung binnen einer Woche eingelegt werden.