Maulbronn
Maulbronn -  18.01.2024
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Kapazitäten erschöpft: Praxisschließung in Ölbronn wirkt sich auf umliegende Hausärzte aus

Ölbronn-Dürrn/Neulingen/Maulbronn/Knittlingen/Ötisheim. Groß waren die Verzweiflung und die Bestürzung bei vielen Bürgern als am 1. Oktober des vergangenen Jahres die einzige Arztpraxis in Ölbronn-Dürrn nach 27 Jahren ihre Pforten für immer geschlossen hat. Mit dem Ruhestand von Dr. Harald Janus als Kassenarzt fehlt seit Monaten nicht nur die direkte medizinische Versorgung im Ort – die Schließung seiner Praxis ist vor allem das Ebenbild einer großen Problematik im Land: dem Hausärztemangel. Die Folge sind überfüllte Praxen oder Patienten, die aufgrund von Aufnahmestopps keinen neuen Arzt finden.

Ölbronn Harald Janus Ruhestand
Seit dem 1. Oktober 2023 hat die Praxis von Dr. Harald Janus, Facharzt für Allgemeinmedizin aus Ölbronn, geschlossen. Momentan arbeitet der frühere Kassenarzt noch als Privatarzt und wohnt in Keltern-Dietlingen. Von Kollegen erhält Janus viele Nachfragen, ob er aushelfen kann. Foto: Lemke

Problematik rückt erneut in den Fokus

Dass viele Ölbronn-Dürrner Schwierigkeiten hatten und immer noch haben, einen neuen Hausarzt zu finden, der sich noch in erreichbarer Nähe befindet, war Bürgermeister Norman Tank nicht direkt bewusst. „Gegenüber der Kommune ist der Stand gewesen, dass alle untergekommen sind“, sagt Tank und führt aus: „Das war auch immer eine meiner Fragen, vor allem wenn ich mit älteren Leuten gesprochen habe – ob sie medizinisch versorgt sind.“

Jedoch sei das Thema vor kurzem auf einer Social-Media-Plattform aufgeploppt und dadurch in den Fokus der Verwaltung gerückt. Ein User, der vergebens nach einem Hausarzt suchte, schrieb beispielsweise: „Ich denke im Augenblick echt darüber nach, weshalb ich hohe Krankenversicherungsbeiträge zahle, wenn eine Behandlung bei Krankheit nicht sichergestellt ist, sondern eher einem Glücksspiel ähnet.“ In Ölbronn-Dürrn gehe es laut Tank vor allem um die Räumlichkeiten und die Frage, wo man einen Arzt unterbringen kann. „Hier haben wir im Moment gar keine Möglichkeit“, gibt der 45-Jährige zu. Bei der ehemaligen Praxis von Dr. Janus sei das Problem, dass die Räume nicht barrierefrei sind.

Auch die Parkplatzsituation sei nicht optimal. Zudem gehe der Weg der Hausärzte weg von einer einzelnen Praxis, hin zu einem Ärztehaus oder einem Medizinischem Versorgungszentrum (MVZ), erklärt Tank. Mögliche Gründe dafür, dass sich die zwischenzeitliche Nachfolgerin von Dr. Janus noch kurzfristig umentschieden hat und abgesprungen ist. Potenzielle Flächen in seiner Gemeinde sieht Tank in den gewerblichen Räumen der Eichelbergschule in Ölbronn oder im Dürrner Neubaugebiet „Ob dem Obern Dorf“, das zwei Flächen für ein passendes Objekt bietet. Hierbei sei eine Kombination aus Wohnraum und Praxis nicht auszuschließen. Bisher wurden die Flächen auch noch nicht vermarktet. „Hier stehen wir am Anfang. Das wären aber Dinge, die in Zukunft möglich wären“, sagt der Rathaus-Chef.

„Das war auch immer eine meiner Fragen, vor allem wenn ich mit älteren Leuten gesprochen habe: Ob sie medizinisch versorgt sind.“

Norman Tank, Ölbronn-Dürrns Bürgermeister über die Haushaltssituation in seiner Gemeinde

Entlastung in Sicht, doch Geduld ist gefragt

Entlastung könnte in Zukunft das in der Schwebe hängende Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) in Maulbronn bringen. „Ich bin im Gespräch mit der genossenschaftlichen Basis in Maulbronn, um dort zumindest den Grundbedarf zu decken“, sagt Tank, der sich auch eine Außenstelle in Ölbronn oder Dürrn vorstellen könne. Bis es soweit ist, kann es aber noch ein wenig dauern. Zwar wurde die Genossenschaft „Gesundheitsnetz Maulbronn“ im vergangenen Jahr im ersten Schritt gegründet. Der zweite Schritt der Gründungsformalitäten läuft laut Ulrike Fegert, Pressesprecherin der Klosterstadt, aber derzeit noch. Dieser beinhalte die Meldung an das Genossenschaftsregister und die Prüfung des Antrags. Die Genehmigung sei Voraussetzung für die Gründung eines MVZ.

Sobald diese vorliegt, werde die Genossenschaft im ersten Schritt Erleichterungen und Synergien im Bereich Verwaltung für die teilnehmenden Arztpraxen ausarbeiten. Eine konkrete Planung für ein Ärztehaus gebe es momentan noch nicht. Das Thema soll aber bei der Überplanung des Volksbank-Areals betrachtet werden. „Die Stadtverwaltung arbeitet derzeit an einem Antrag für ein Sanierungsgebiet, welches das ehemalige Schenk- sowie das Voba-Areal einbeziehen soll“, sagt Fegert. Ein weiterer Hoffnungsschimmer leuchtet auf in Ötisheim, wo sich in diesem Jahr noch ein neuer Hausarzt ansiedeln soll. Das bestätigte Bürgermeister Werner Henle. „Momentan läuft der Bauantrag für das Vorhaben“, sagt Henle. Es sei zwar noch alles in der Pipeline, er gehe jedoch davon aus, dass es bis Ende des Jahres einen weiteren Arzt in Ötisheim gibt. „Wir sind sehr dankbar darüber und haben auch viel Glück gehabt. Glück gehört im Leben aber auch mal dazu“, betont Henle.

„Wir sind sehr dankbar darüber und haben auch viel Glück gehabt. Glück gehört im Leben aber auch mal dazu.“

Werner Henle, Ötisheims Bürgermeister über einen neuen Hausarzt, der voraussichtlich Ende des Jahres beginnt

Viele Praxen nehmen keine Patienten mehr auf

Über 2500 Patienten betreute Dr. Janus. 2500 Patienten, die sich nach seiner Praxisschließung einen neuen Hausarzt suchen mussten. Alleine Dr. Michael Bambach aus Maulbronnnahm 330 neue Patienten auf. „Das sind eigentlich mehr, als ich bewältigen kann und ursprünglich auch übernehmen wollte“, sagt Bambach. Da er mit 55 Jahren noch zu den jüngeren Ärzten im Ort zählt und seine Kollegen sonst alle über 60 Jahre alt seien, habe er aber das Gefühl gehabt, mehr aushelfen zu müssen. Derzeit könne er jedoch keine neuen Patienten mehr aufnehmen, zumal ein Großteil jener, die früher bei Dr. Janus waren, chronisch kranke oder alte Patienten seien. Zudem betreut Bambach zwei Pflegeheime, eins in Sternenfels und eins Maulbronn, so dass von „Patienten aufnehmen wollen keine Rede sein kann.“

Dr. Janus hatte im Gespräch mit der PZ vor genau einem Jahr schon davon gesprochen, dass es sich für seine Patienten schwierig gestalten werde einen neuen Hausarzt zu finden, da einige schon damals einen Aufnahmestopp hatten. Eine Verteilung auf die umliegenden Gemeinden wie Neulingen, Knittlingen oder Maulbronn klappte demnach nur bedingt. Eine Umfrage der Pforzheimer Zeitung ergab, dass neben Dr. Bambach unter anderem die Hausarztpraxen Maisenhölder aus Bauschlott sowie Haub aus Maulbronn keine neuen Patienten mehr aufnehmen. Das Hausarztzentrum in Knittlingen nehme nur noch Patienten auf, die direkt aus dem Ort kämen. Laut Michael Bambach sei die Lage auch in Sternenfels und Ötisheim angespannt. Ein Grund, weshalb Dr. Janus, der noch als Privat- und nicht mehr als Kassenarzt aktiv ist, viele Nachfragen seiner Kollegen erhält, die ihn um Hilfe bitten.

„Das sind eigentlich mehr, als ich bewältigen kann und ursprünglich auch übernehmen wollte.“

Dr. Michael Bambach, Hausarzt aus Maulbronn über die aufgenommenen Patienten nach der Praxisschließung in Ölbronn

Aktueller Stand nach Praxis-Schließung in Wiernsheim

Weitaus problematischer als in Ölbronn-Dürrn gestaltet sich die Lage für rund 1500 Patienten in Wiernsheim. Seit der Schließung der Hausarztpraxis von Dr. Heidi Wahl am 1. Oktober 2023 warten die Betroffenen auf ihre Krankenakten, die in der Praxis unter Verschluss sind. Etwa 250 der Dr. Wahl-Patienten sind vom einzig noch in Wiernsheim verbliebenen Mediziner Dr. Jürgen Wegner übernommen worden. Andere Betroffene haben die Angebote der Mühlacker BubeckPraxen angenommen oder suchen noch einen neuen Hausarzt.

In Sachen Patientenakten der Dr. Wahl-Praxis habe sich bisher noch nichts bewegt, teilt Bürgermeister Matthias Enz auf Nachfrage mit. „Aus meiner Sicht kommt die Bezirksärztekammer weiterhin ihrer Verpflichtung nicht nach“, moniert er. Dabei sei die „unverzügliche Herausgabe“ der Dokumentation – gegebenenfalls auch in Form elektronischer Abschriften – im Patientenrechtegesetz als Ärztepflicht geregelt, so Enz. Die Bezirksärztekammer beteure zwar, mit Frau Dr. Wahl oder einem Vertreter in Kontakt zu stehen, fordere von den Patienten aber wegen der Akten schriftliche Anfragen sowie Unterlagen mit Originalunterschriften. Diese „Auflagen“ stuft Enz als Verzögerungstaktik ein und rät den Betroffenen, notfalls auf juristischem Weg die Herausgabe zu erzwingen. pep