Mühlacker
Mühlacker -  06.04.2022
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Wie lebt es sich mit einer schweren Behinderung? Betroffene spricht in Mühlacker

Mühlacker. War da was? Die unübersehbare Tatsache, dass Silke Naun-Bates ohne Beine, dafür aber auf Händen durchs Leben geht, geriet bei ihrer Lesung unter dem Titel „Glücklichsein ist eine Wahl“ im Mühlacker consilio nahezu zur Randnotiz. Wer erwartet hatte, dass die Referentin, die auf Einladung des Ambulanten Hospizdiensts Östlicher Enzkreis in die Senderstadt gekommen war, an diesem Abend über die Kümmernisse und Widrigkeiten eines Lebens mit einer derart schweren Behinderung sprechen würde, wurde angesichts der humorvollen, lebensbejahenden Art der gebürtigen Westfalin eines Besseren belehrt.

Eine Resilienz, die der Referentin bereits als Kind innewohnte – trotz ihres schweren Unfalls: Bei einem Spaziergang riss sich der Hund der damals achtjährigen Silke los. Das Mädchen lief hinterher, stolperte auf den Bahngleisen, und das Schicksal nahm seinen Lauf: Ein herannahender Zug riss dem Kind beide Beine ab. Künstliches Koma und lange Krankenhausaufenthalte folgten. Verzweifeln war für Silke Naun-Bates schon damals keine Option: Sie besuchte die Regelschule, spielte mit ihren Freunden und lernte mit Hilfe einer Rutschhose schnell, auf Händen zu laufen. „Dass ich ein Pflegefall bleibe, habe ich schon als Kind entkräftet“, so die 55-Jährige. „Es ist oft weit mehr möglich, als wir zu denken im Stande sind.“ Obwohl die Ärzte ausschlossen, dass Silke Naun-Bates je Mutter werden würde, hat sie mittlerweile zwei erwachsene Kinder. Autofahren, Haushaltsführung, Paragliding und Speedboot fahren – alles ist möglich.

So waren es nicht ihre Behinderung, sondern der frühe Tod der eigenen Schwester sowie einer engen Freundin, die das Leben der Referentin ins Wanken brachten. „Im Rahmen meiner Körperlichkeit kannte ich keine Grenzen, emotional jedoch schon“, musste sie feststellen. Ein Perspektivwechsel stand an, den sie als radikale Hingabe an das Leben beschreibt: „Es gilt, die Dinge ohne Bewertung in Gut oder Böse anzunehmen und den Widerstand gegen vermeintlich Negatives aufzugeben“, sagt Silke Naun-Bates. Das gelte auch für unschöne Erlebnisse in der Vergangenheit: „Diese Dinge sind passiert. Wie ich heute mit ihnen umgehe, dafür über-nehme ich die Verantwortung.“ Wir alle könnten wählen, wie wir unser Leben gestalten und erleben wollten und durch diese Denkweise neue Freiheit gewinnen. Sie selbst trage letztlich ein tiefes Urvertrauen: „Das Leben – oder Gott – macht keine Fehler.“

Autor: Britta Bischoff-Krappel