Neuenbürg
Neuenbürg -  11.08.2023
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Hinab in die Finsternis: Sommeraktion führt PZ-Leser ins Neuenbürger Bergwerk

Neuenbürg. Schon nach wenigen Metern auf dem Weg ins Innere des Berges ist es zu spüren: die Kälte, die Feuchtigkeit, die beengende Stille des Gesteins. Immer tiefer führt Joachim Scheffler, seit drei Jahren Führer beim Besucherbergwerk Frischglück in Neuenbürg, die PZ-Leser durch die engen, auf drei Ebenen grob ins Gestein gehauenen Stollen. 

Schau Mal Bergwerk Neuenbürg
Die Sommeraktion „Schau mal, wo du lebst“ führt die Gruppe der PZ-Leser tief in die Stollen des Besucherbergwerks Frischglück in Neuenbürg. Fotos: Foto: Röhr

Erfrischende sieben Grad Celsius hat es im Bergwerk an diesen heißen Sommertag, die Luftfeuchtigkeit beträgt 94 Prozent. Klamm sind die Wände, alle paar Meter fahl beleuchtet von Elektro-Strahlern. Rund um die Lichtquellen wächst zartes, grünes Moos: der einzige Farbtupfer unter Tage. Das einst begehrte Brauneisenerz ist stellenweise an den Decken der Stollen, die von den Bergleuten in mühevoller Handarbeit der Ablagerung folgend in den Berg getrieben wurden, zu erkennen.

Schätze unter Tage

„Über 150 Jahre lang wurde hier in diesem Bergwerk Brauneisenerz abgebaut, und zwar von 1722 bis 1870“, erläutert Scheffler. „Brauneisenerz besteht zu 35 Prozent aus reinem Eisen und muss verhüttet werden.“

Der Abbau erfolgte mit einfachsten Spitzhacken und Hämmern. Eine Lore existierte nicht. Das Brauneisenerz musste mühsam durch die teils nur anderthalb Meter hohen und einen Meter schmalen Gänge nach draußen geschleppt werden.

Faszinierend: Dass genau an dieser Stelle nahe Neuenbürg größere Vorkommen des wertvollen Rohstoffs zu finden sind, war bereits den alten Kelten vor 2500 Jahren bekannt. Doch dazu später mehr.

Scheffler führt die Gruppe weiter, vorbei an einer in die Stollenwand eingelassenen Plakette. Darauf zu sehen: die heilige Maria.

„Die Bergleute haben hier morgens zum Schichtbeginn gemeinsam gebetet. Wer fehlte, musste einen Teil des ohnehin sehr bescheidenen Tageslohns abgeben“, so der 70-Jährige. „Eine Schicht ging zwölf Stunden.“

Scheffler malt eindringlich aus, unter welchen harschen Bedingungen die Bergleute zu schuften hatten. Er klemmt sich einen Kienspan aus harzreichem Holz zwischen die Lippen und entzündet ihn. Auf diese fahl glimmende Lichtquelle waren die Arbeiter am dunklen Ende der Stollen angewiesen.

In die Tiefe

Scheffler führt die blau-behelmte Gruppe der PZ-Leser weiter. Vorbei an Balken, Leitern, tiefen Felsspalten – und am schwindelerregende 35 Meter tiefen Belüftungsschacht, der sich über drei Stockwerke hinweg in die Tiefe erstreckt. „Von hier, dem obersten der drei übereinander liegenden Stollen, sind es noch 25 Meter nach oben zu den ersten Wurzeln der Bäume über uns.“ 

Die Tour endet nach einer Stunde am oberen Eingang des Bergwerks. Eine Wand aus Licht und Wärme empfängt die Gruppe. Hier oben am Berghang, mitten im dichten Wald, seien die Bemühungen der Kelten, das Brauneisenerz abzubauen, noch heute, 2500 Jahre später, zu erkennen.

„Hier im Wald finden sich immer noch viele sogenannte Pingen“, erläutert Scheffler.

Um an den wertvollen Rohstoff zu gelangen, gruben die keltischen Vorfahren an sieben, acht Stellen rund um das heutige Bergwerk tiefe Löcher, Erdtrichtern ähnlich, die noch heute in der Landschaft erkennbar seien.

Zumindest für jene Wanderer, so Scheffler, die offenen Auges durch den Wald streifen und um die bewegte Bergbau-Geschichte in der Region wissen.

Autor: Sören Stiegler