Neuenbürg
Neuenbürg -  28.12.2017
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PZ-Interview mit Rudolf Reuster: „Wir sind Opfer des eigenen Erfolgs geworden“

Er hat die bisher erfolgreichste Zeit der Bundesliga-Faustballerinnen des TSV Dennach entscheidend geprägt, gewann mit seinem Team fünf deutsche Meisterschaften, sechs Mal den Europapokal und erreichte zwei Mal das Weltpokalfinale. Doch Anfang Dezember hat Rudolf Reuster (66) sein Traineramt auf eigenen Wunsch an den Knittlinger Kuno Kühner abgegeben: Im Gespräch mit PZ-Redakteur Peter Hepfer erläutert der gewiefte Taktiker warum.

PZ: Herr Reuster, das Weltcupfinale Ende Oktober in Brasilien war Ihr letzter Auftritt als Dennacher Faustball-Trainer. Ist es schwer gefallen, loszulassen?

Rudolf Reuster: Es war nicht leicht, aber letztlich meine eigene Entscheidung. Ein krönender Abschluss ist zwar nicht gelungen. Aber bei der knappen Niederlage gegen den mehrfachen Weltcupsieger Duque de Caxias hat die Mannschaft ihre beste Jahresleistung in der Feldrunde abgeliefert. Dabei ist es wieder mal nicht gelungen, die entscheidenden Punkte zu machen. Vom Glück waren wir auch nicht verfolgt. Die Mannschaft hat sich gut verkauft und eine würdige Vorstellung geboten. Das hat mir den Abschied schon ein bisschen leichter gemacht.

PZ: Aber nach fünf derart erfolgreichen Jahren ist sicher auch ein bisschen Wehmut dabei?

Natürlich, es war eine tolle und erfolgreiche Zeit für mich und die Spielerinnen, von denen es neben Sonja Pfrommer, Anna-Lisa Aldinger und Annkatrin Aldinger auch Sophie Scheidt ins Nationalteam geschafft hat und 2016 sogar Weltmeisterin geworden ist. Solche Momente gehen nicht spurlos an einem vorbei und die möchte man auch nicht missen.

Warum haben Sie sich letztlich entschieden, als Trainer beim TSV Dennach aufzuhören?

Ich hatte einfach das Gefühl, dass in der Mannschaft neue Reize gesetzt werden müssen. Im Sinne der sportlichen Weiterentwicklung war es einfach an der Zeit. Das Verhältnis zu den Spielerinnen hat damit gar nichts zu tun. In mir als Trainer ist die Unzufriedenheit gewachsen, weil das Team bei den vergangenen deutschen Meisterschaften in Halle und Feld nicht das abrufen konnte, was eigentlich in ihm steckt. Auf Topniveau dauerhaft erfolgreich zu sein ist eben nicht leicht.

PZ: Hat sich dabei auch der Trainer etwas verbraucht?

Die Mannschaft und ich sind über Jahre an die Grenzen gegangen. Die Spielerinnen haben Meistertitel, den Europapokal, Europa- und Weltmeisterschaften mit der Nationalmannschaft gewonnen. Jeder war unter Dauerstress und das kostet Substanz. Wenn man so will, sind wir Opfer des eigenen Erfolgs geworden.

PZ: Der Kader ist sukzessive geschrumpft. War das auch ein Grund für die Schwächephase?

Das hat zum Teil dazu beigetragen. Die Abgänge haben uns geschwächt und das Team ist leistungsmäßig auf nationaler Ebene stagniert. 2016 war das perfekte Jahr, wir haben alles gewonnen, was man in Europa als Vereinsmannschaft gewinnen kann. Dass es dann in der Folgezeit mal nicht so glänzend laufen kann, versteht sich eigentlich von allein. Und so schlecht war das Sportjahr 2017 mit zwei Europapokalsiegen in Halle und Feld sowie einer deutschen Vizemeisterschaft in der Halle schließlich auch nicht. Nach der deutschen Meisterschaft in Moslesfehn habe ich mir aber Gedanken gemacht, als wir zum zweiten Mal in Folge das DM-Finale mit einer schlechten Leistung verpasst hatten. Die Ansprüche beim TSV Dennach sind mit den Erfolgen halt auch gestiegen. Weil ich aufgehört habe, gibt es für das Team nun kein Alibi mehr. Ich denke, das war die beste Lösung, damit frischer Wind reinkommt.

PZ: Wie bewerten Sie persönlich die fünf vergangenen Faustballjahre beim TSV Dennach?

Es ist hier nie um meine Person gegangen. Das möchte ich festhalten. Es ging immer nur darum, dass sich die Spielerinnen, die Mannschaft weiterentwickelt und das Maximale aus sich herausholt. Das ist bei den großen Erfolgen mit fünf deutschen Meisterschaften, sechs Europapokal-Triumphen und zwei Finalteilnahmen im Weltcup gelungen. Bei Letzterem fehlt leider noch das i-Tüpfelchen. Aber das kommt vielleicht noch. Fakt ist, das wir gemeinsam in Dennach explosionsartig Erfolge gesammelt haben, die kaum jemand für möglich gehalten hätte und die sich so leicht wohl auch nicht wiederholen lassen. Über fünf Jahre waren das herausragende Erlebnisse, für die ich sehr dankbar bin.

PZ: Dennoch ärgert der noch fehlende Weltcup-Sieg?

Sicher wäre das eine schöne Sache gewesen. Aber darum ging es bei meinem Amtsantritt als Trainer in Dennach überhaupt nicht. Wir wollten deutsche Meisterschaften gewinnen und das hat geklappt. Im Übrigen ist die rasante Entwicklung der Mannschaft nicht nur mein Verdienst. Daran hat auch meine Vorgängerin Beate Bolz mit ihrer Basisarbeit großen Anteil. Letztlich haben sich die Spielerinnen selbst belohnt, weil der absolute Willen, der Ehrgeiz zum Erfolg genauso wie die Bereitschaft da war, sich im Training zu plagen und bis an die eigene körperliche Grenze zu gehen.

PZ: Wie wird die Welt von Rudolf Reuster aus Faustball-Rentner aussehen?

Das mit dem Runterfahren funktioniert ganz ordentlich. Ich habe zum Verein und zu den Spielerinnen nach wie vor ein gutes Verhältnis und werde mir regelmäßig die Spiele anschauen. Auch beim Europapokal am 6. Januar im schweizerischen Jona bin ich dabei. Faustball ist und bleibt für mich aber Spaß und Hobby. Ich hoffe, dass die Mannschaft weiterhin nach dem höchsten Niveau strebt. Und wenn es mir gelungen ist, das zu vermitteln, kann ich sehr zufrieden sein.

PZ: Welche Tipps haben Sie für ihren Nachfolger?

Ich halte mich da völlig raus. Kuno ist ein Faustball-Besessener und wir kennen uns schon seit Jahren. Er hat die nötige Erfahrung, die man braucht und kann seine Entscheidungen selber treffen. Für ihn geht es erst einmal darum, die Spielerinnen besser kennenzulernen. Und wenn die Mädels mitziehen, seine Philosophie annehmen, ist irgendwann auch seine eigene Handschrift erkennbar. Ich wünsche ihm, dass er die paar Prozent noch aus der Mannschaft herauskitzeln kann, die zum Weltcup-Sieg fehlen.

Autor: Peter Hepfer