Neuhausen
Neuhausen -  22.10.2020
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Gemeinde Neuhausen will Tempo 30 in den Teilorten

Neuhausen. Verkehrte Welt in der Bietgemeinde: Durch die derzeitige Straßensperrung herrscht an der sonst stark befahrenen Pforzheimer Straße in Neuhausen trügerische Stille, während besonders die Hamberger wegen der Umleitung kräftig mehr Lärm abkriegen. Ist die Landesstraße aber wieder frei, dann verteilen sich die Belastungen wieder anders – Tendenz steigend, wie Bernd Stotz betont, der an der Neuhausener Ortsdurchfahrt wohnt. Einige Hundert Fahrzeuge täglich mehr bringe das entstehende Gewerbegebiet, sagte er im Gemeinderat. Seine Forderung: Im Kampf gegen den Krach an den Durchgangsstraßen solle man die Alltagserfahrungen der Bürger miteinbeziehen.

Einen kleinen Schritt dorthin hat Bürgermeister Oliver Korz schon getan. Anders als nach Regeln für Ratssitzungen üblich, öffnete er die Debatte über mögliche Maßnahmen gegen Lärm auch für die Zuhörer. Zuvor hatte Ingenieur Frank Rogner, Geschäftsführer des Büros Koehler und Leutwein, berichtet, was sein Team über Verkehrskrach in den vier Ortsteilen herausgefunden hat. Die berechneten Schallpegel liegen demnach – mit Ausnahme von Hamberg außerhalb der Umleitungszeiten – über den Grenzwerten, die Lärmsanierungen möglich machen.

Mehrheitlich zugestimmt

Die Gemeinde will auf dieser Grundlage beim Enzkreis für die Durchfahrtsstraßen aller Ortsteile Tempo 30 zu beantragen – beziehungsweise, wo das nicht möglich sein sollte, Tempo 40. Im inklusive Bürgermeister 21-köpfigen Gremium stimmten nur zwei Räte dagegen, zwei enthielten sich.

Ganz unstrittig ist die Sache nicht. Einigkeit gibt es zwar über das Ziel, den Lärm zu senken. Doch wie das am besten geht, ist komplizierter zu beurteilen. Tempobegrenzungen seien die am schnellsten umzusetzende, günstigste Variante, so Rogner. Doch nicht nur Martin Volz (Freie Wähler) vermisste Hinweise auf alternative Lärmschutzmöglichkeiten. Fraktionskollege Reinhold Auer sagte, bessere, leisere Fahrbahndecken oder bauliche Bremsen an Ortseingängen könnten viel bringen.

Die CDU-Räte Julian Raible und Gerd Philipp mögen sich kein durchgehendes Tempo 30 auf langen Durchfahrten wie in Neuhausen vorstellen. Auch wegen der Akzeptanz. Ohnehin, sagte Raible mit Blick auf die Hamberger Umleitungserfahrungen, bringe keine Tempodrosselung etwas ohne konsequente Kontrollen. Und dann ist da das Problem des Lärmempfindens, das Hartmut Lutz (Bürger für das Biet) und zwei Anwohner schilderten. Denn die Daten des Ingenieursbüros, das machte Rogner deutlich, können nicht gemessen werden – das wäre zu stark Zufällen unterworfen.

"Ein Lastwagen genügt – und man steht im Bett."

Bernd Stotz, der an der Neuhausener Ortsdurchfahrt wohnt

Stattdessen wird Verkehrsaufkommen gemessen, Bedingungen wie Straßenzustand und anderes betrachtet und dann die Lärmentwicklungen an angrenzenden Gebäuden berechnet. Dieses Verfahren könne aber schwerlich abbilden, dass Autos besonders viel Krach machen würden, wenn sie ständig anhalten und wieder anfahren müssten, so Lutz. „Die Parkerei links und rechts“ verstärke das Problem. Ein Beispiel ist für ihn Steinegg, wo die Straße auch noch steil ansteigt.

Anwohner, beide aus Neuhausen, bezweifelten, dass die Lärmberechnungen zu ihrem Alltag passen. Mit Einkaufs- und Freizeitverkehr. Mit Autos, die Gullideckel klappern lassen. Bernd Stotz gab ein Beispiel: Immer morgens um 5 Uhr rumple ein leerer Containerlaster durch Neuhausen. „Ein Lastwagen genügt – und man steht im Bett“, so Stotz. Rechnerische Werte würden da wenig helfen. Er hat einen Wunsch an die Gemeinde: bei Baugebietsplänen künftig genauer zu überlegen, wie viel Verkehr dadurch auf welcher Straße entsteht.

Zahlen zum Lärm in Neuhausen, Hamberg, Schellbronn und Steinegg

Für den Antrag auf Tempo 30 – der Wunsch geht auf die letzte Einwohnerversammlung zurück – brauchte die Gemeinde Neuhausen Lärmdaten. Folgende Werte hat das Büro Koehler und Leutwein errechnet: in Neuhausen tags in der Regel 65 Dezibel – bei Spitzen bis 68,6 Dezibel, nachts eher 55 Dezibel und Höchstwerte von 58,8. In Hamberg bewegt sich das tagsüber zwischen 60 und 64 Dezibel, nachts zwischen 50 und 54; in Schellbronn gibt es Lärm von bis zu 69 Dezibel tags und 59 Dezibel nachts; in Steinegg ist die Tagesspanne 65 bis 70 Dezibel, nachts 55 bis 59,6 Dezibel.

Grundlage sind Verkehrsmengen: in Neuhausen 7100 Fahrzeuge täglich, in Hamberg bis zu 3500, in Schellbronn rund 6600 und in Steinegg rund 5000. Das Ganze fußt auf einer Zählung im September 2019. Dann wird hochgerechnet.