Neuhausen
Neuhausen -  27.09.2020
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Wahrhaftigkeit ohne Schnörkel: Premiere von „Du bist meine Mutter“ in der Theaterschachtel

Neuhausen. Und wieder ist es Samstag; die Tochter im Zug auf dem Weg von Mannheim zur dementen Mutter im Ellwanger Altersheim. Die Gedanken kreisen und machen einen weiten Schritt zurück in die Jugend der Tochter: „Ich werde samstags nicht mehr einkaufen gehen, nie mehr“, insistiert sie mit glockenheller Stimme. „Wie kannst Du so etwas zu Deiner Mutter sagen?“, kommt prompt die mütterliche Antwort im barschen Ton. Und dies aus einem Munde. Es ist ein Solotheaterstück, Anne von der Vring, die alleinige Akteurin der gut einstündigen Darbietung in der Theaterschachtel Neuhausen. Gerade einmal 50 Zuschauer durften coronabedingt der Premiere in dem wunderbaren Raum mit seiner Empore einen Besuch abstatten.

Das hoch dekorierte Stück „Du bist meine Mutter“ vom Niederländer Joop Admiraal setzt sich mit dem Thema Demenz in all seinen Schattierungen auseinander. Das vor 40 Jahren geschriebene Stück ist aktueller denn je – Corona hin oder her.

Wer schon mal mehr oder weniger dementen Eltern in einem Pflegeheim Besuche abgestattet hat, wird sich in diesem Stück stets aufs Neue an die eigenen Besuche erinnern. Ständige Wiederholungen, sitzen und reden, immer wieder die gleichen Sätze – und alles geht ganz langsam vonstatten. So etwa, wenn die Tochter ihre Mutter ankleidet und auf das unendlich oft wiederholte Ritual eines Gartenbesuches vorbereitet. Atemberaubend, wie Anne von der Vring scheinbar mühelos von einem Moment auf den anderen die Rolle wechselt, vom tiefen, fordernden Ton der zitternden Mutter, hin zur besorgten Tochter – sensibel und mit einem manchmal fast etwas hilflos wirkenden sprachlichen Ausdruck.

Stimmung dreht sich in Windeseile

Doch Trauer, Erinnerung und Melancholie sind nur die eine Facette dieses Abends. Humor, wenn auch schon mal von der ganz schwarzen Seite, gehört ebenso zum Stück wie zum Leben mit Demenz: „Einstein, wer ist Einstein?“, fragt die Mutter. Um dann auch gleich selbst die Antwort zu geben: „Der brachte die Zeit genauso durcheinander wie ich.“ Und dann der tote Vater, ehemals Polizist, der seinem humorigen Kollegen bei der Streife schon mal erlaubte, das Gebiss herauszuholen – Tränen habe der Vater da gelacht, erinnert sich die Mutter. Doch in Windeseile dreht sich die Stimmung.

Weitere Vorstellungen gibt es am 3., 4. und am 31. Oktober sowie nochmals am 1. November.

Mehr lesen Sie am Montag, 28. September, in der „Pforzheimer Zeitung“ oder im E-Paper auf PZ-news.

Autor: Walter Kindlein