Neulingen
Neulingen -  11.03.2020
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Alles außer Klassik: Noah Leonne rockt mit seiner Geige die Bühnen

Neulingen. Als Crossover-Musiker erobert der 18-jährige Noah Leonne aus Neulingen-Göbrichen das Publikum. Nun will er ein neues Album produzieren – mit eigenen Kompositionen.

Darf’s ein bisschen Rock sein? Kein Problem. Eine Ballade? Vielleicht lieber Rap? Auf seiner Geige spielt Noah Leonne alles. Fast alles. Hauptsache, es ist modern und nicht klassisch. Die Grenzen des musikalisch Möglichen auszuloten, so weit zu gehen, dass es noch gut klingt – diese Herangehensweise scheint der 18-Jährige aus Göbrichen zu perfektionieren. „Und warum soll ich nicht die Musik spielen, die ich selbst auch höre?“, fragt er – eher rhetorisch.

Denn der Erfolg gibt ihm recht: Bei einer „Let’s Dance“-Veranstaltung in Würzburg, in Clubs deutschlandweit, im Europa-Park, bei Modeschauen, beim „Magic Ball“ in Karlsruhe, beim Boxkampf Hück-Arslan, aber auch bei Firmenfeiern sowie beim Wirtschaftspreis 2018 oder der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes im CCP hat er als Show-Act bereits die Mengen gerockt.

Keine Angst vor Extremen

Besonders berührt habe ihn ein Auftritt im Kinderhospiz. Die traurigen und fröhlichen Reaktionen zu sehen, zu spüren, dass er etwas erreicht – da musste er hinter der Bühne mit den Tränen ringen. Aber er kennt auch das andere Extrem: Fasching und Ballermann-Party – Noah Leonne schreckt vor nichts zurück. „Ich bin manchmal selbst überrascht, wie die Leute abgehen“, sagt er. Sein erstes selbst auf die Beine gestelltes Konzert 2018 an der Waldorfschule sei gleich ausverkauft gewesen.

Der PZ erzählt Noah Leonne, wie alles anfing. Im Alter von drei Jahren hört er in der Pforzheimer „Galeria Kaufhof“ – damals gab es noch eine Tonträger-Abteilung – eine CD von Mozart, „in die ich mich direkt verliebt habe“. Sein Vater erklärt, welches Instrument den Sohnemann so begeistert. Schon mit vier Jahren nimmt er Unterricht an der Jugendmusikschule, bis heute bei der Lehrerin Shanhong Scherke.

Mozart, Paganini, Vivaldi – mit elf Jahren wird ihm die Klassik zu langweilig, und er beginnt, Popsongs nach Gehör zuspielen. Von seiner klassischen Ausbildung profitiert er dabei, nicht nur, was die Arrangements angeht. „Je besser die Technik, desto besser klingt es“, sagt er. Bei seinem ersten Auftritt 2016 im Enzauenpark habe er noch vom Notenblatt abgelesen. Ob er aufgeregt war? Nein. Nicht mal vor Hunderten Leuten wird er das. „Ich bin nie nervös. Bei nix. Außer ... bei Frauen“, sagt er und lacht herzhaft. Künstlerisch habe er mehr Glück, wie er sagt: Im selben Jahr entdeckt ihn Dirk Dauth, er wird sein Manager.

Täglich wird geübt

Noah Leonne übt bis zu drei Stunden am Tag. Er hat mehrere Geigen zu Hause. Derzeit spielt er eine besonders hochwertige: ein Instrument des österreichischen Geigenbauers Johann Baptist Schweitzer aus dem Jahr 1814.

Sein Repertoire umfasst knapp 200 Songs: von den 1980ern bis zu aktuellen Radiohits – quer durch die Stile: Rock, Pop, Dubstep, Rap und House. Noah Leonne sieht seine Stärke auch darin, zu spüren, wie man den jeweiligen Musikstil behandelt und ihn auf der Bühne umsetzt. Dort arbeitet er mit Halbplayback. Die Töne, die er der Geige entlockt, sind stets live. Fahrdienste, Instrumentenkäufe, Unterrichtsgebühren, den Rücken stärken – seine Eltern unterstützen ihn schon immer. „Ich bin stolz auf ihn und liebe, was er spielt. Er macht das mit so viel Gefühl“, schwärmt sein Vater Hamza Bahcecioglu, der ihn zum PZ-Gespräch begleitet. „Ich könnte ihm Tag und Nacht zuhören.“

Noah Leonne gibt sich bodenständig: Nach dem Abi will er Event- und Musikmanagement studieren. „Im Moment läuft es gut mit der Geige. Aber wer weiß, wie lange noch. Da sollte man sich nicht drauf verlassen und einen Plan B haben.“ Erste Influencer-Verträge hat er in der Tasche, um Firmen in Sozialen Netzwerken zu promoten. Parallel wolle er mit der Musik weiter Gas geben, einige Auftritte für den Sommer seien bereits fix. Und er arbeitet in Ronny Winklers Brettener Tonstudio an einem Album. Nach „Violine meets Pop“ (2016) und „Classic vs. Pop“ (2018) sollen nun nur Eigenkompositionen zu hören sein. Vor allem flotte Nummern: House, Latin, Electro und Rap. Die ersten Titel seien bereits fertig, im kommenden Jahr soll das Album erscheinen. Klavierunterricht hatte er auch – was sich fürs Komponieren eigener Songs als nützlich erweist. Den ersten hat er im Sommer 2019 veröffentlicht, als Youtube-Video und auf den gängigen Streaming-Portalen: „Your Smile“, eine getragene, sanfte Ballade. Beim Schreiben sei er verliebt gewesen.

Deutschrap auf der Geige

Noah Leonne will eigenständig sein und Jugendlichen zeigen, wie toll es sein kann, Geige zu spielen. Der Plan scheint aufzugehen. Derzeit covert der 18-Jährige häufig Deutschrap, Nummern von RAF Camora und Apache 207. Was er als Experiment startete, nur um zu sehen, wie sich das umsetzen lässt, sorgt live für Stimmung. „Die Raps sind einfach gut dazu geeignet, sie melodisch mit der Geige zu verschnörkeln – und die Leute feiern mit.“ Nach den Konzerten kämen viele auf ihn zu, die ihm sagten, sie würden eine Geige nun ganz anders wahrnehmen.

Autor: Michael Müller