Neulingen
Neulingen -  20.12.2020
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Neulinger Autor Jeff Klotz entführt mit Online-Vortrag in Wiener Kaffeehäuser

Neulingen-Bauschlott. Einen weiten Bogen von Äthiopien, wo man die Kaffeebohnen im 9. Jahrhundert kaute, bis zu den Kaffeehäusern, die besonders in Wien eine ganz eigene Kultur entwickelten, schlug Jeff Klotz mit seinem Online-Vortrag „Das Wiener Kaffeehaus“. Der umtriebige Autor, Verleger, Museumsleiter und Kunstsammler will mit neuen Online-Angeboten sein Publikum niveauvoll unterhalten und über die Aktivitäten im Bauschlotter Schloss berichten. Für seinen ersten Online-Vortrag war ihm die Live-Situation besonders wichtig, um mit dem Publikum ein Gefühl der Gemeinsamkeit wie bei einer Veranstaltung zu erleben. Damit lag er genau richtig, die über 500 angemeldeten Interessenten ließen sich auch von technischen Problemen nicht abschrecken, die den Beginn um eine Stunde verzögerten.

Jeff Klotz nahm das Publikum in seinem lebhaften und mit zahlreichen Abbildungen illustrierten Vortrag mit auf eine Reise vom vermutlichen Ursprungsland des Kaffees, Äthiopien, nach Arabien, wo der Kaffee im 15. Jahrhundert als Getränk auftaucht, und in den Vorderen Orient mit seinen ersten Kaffeehäusern. Das Osmanische Reich schließlich ist der legendenumwobene Transporteur des Kaffees nach Europa.

Der Armenier Johannes Theodat, der über gute Beziehungen zum osmanischen Reich verfügt, hat ab 1685 für 20 Jahre als einziger Händler in Wien das Privileg, Kaffee als Getränk verkaufen zu dürfen. Seiner Clique von armenisch-griechischen Freunden verdankt der Kaffee das orientalisierende Element, mit dem er lange verbunden wurde.

Aktuell 180 Kaffeehäuser in Wien

1712 gibt es in Wien 37 Kaffeehäuser, 1819 bereits 150 und im Jahr 1900 ist die Zahl auf 600 angewachsen. In der Hauptstadt des Vielvölkerstaates Österreich tummeln sich bürgerliche Händler, Gesandtschaften zahlloser Nationen, Adlige unterschiedlichster Kulturkreise, Intellektuelle. Die Kaffeehäuser werden für sie zu offenen sozialen Interaktionsorten, wo sie öffentliche Diskurse pflegen und Menschen anderer Herkunft treffen können. Es gibt eine eigene Form des Postwesens, Versicherungen und Verlage werden hier gegründet. Auf Bühnen und in Kellern entsteht eine Tradition der Abendprogramme mit Musik und Variété. Und: Für Frauen ist es nicht anstößig, die Cafés zu besuchen.

Der Kaffeegenuss ist Thema in der Literatur (Lessing, Goethe), er hält Balzac wach und ist in Form von Mokka für Beethoven ein Genuss. Bach widmet ihm eine humorvolle weltliche Kantate.

Klotz stellte einige der traditionsreichen Wiener Kaffeehäuser vor, die es bis heute gibt: das 1876 im Palais Ferstel eröffnete Café Central mit seinem berühmten Gewölbe und das Café Sacher (1876) mit der gleichnamigen Torte. Im Café Demel (1786), das immer wieder Personal in die nahe Hofburg entsandte, entsteht die bis heute übliche schwarz-weiße Kleidung der Bedienungen. Über dem Café Landtmann (1873) treffen sich hochrangigste Politiker in den Salons der jüdisch-österreichischen Intellektuellen Berta Szeps-Zuckerkandl.

Nach dem Ersten Weltkrieg geht die Kaffeehauskultur unter – um bald danach als Touristenattraktion neu zu erstehen. Aktuell kann man sie in Wien in 180 Cafés erleben.

Jeff Klotz auf Sendung

„Das Wiener Kaffeehaus“ war der Auftakt zu einer Reihe mit Online-Vorträgen, die künftig wöchentlich freitags um 20.15 Uhr kostenlos angeboten werden.

Die nächsten Termine:

  1. Januar: „Die ältesten Kirchen der Welt. Eine Spurensuche im Orient und Mittelmeerraum.“
  2. 8. Januar: „Venedig. Die Geschichte einer maritimen Weltmacht.“ Anmeldung unter jeff@stephan-klotz.de.

Die zweite Reihe „Zu Gast im Schloss“, die vor kurzem mit drei Interviews startete, soll zu einer Art Kulturkanal für die Region werden.

Autor: Uta Volz