Neulingen
Neulingen -  30.09.2021
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Retrospektive zum 100. Geburtstag von Wilhelm Hager in Bauschlott

Neulingen-Bauschlott. Das älteste Kunstwerk in der Ausstellung, die zum 100. Geburtstag von Wilhelm Hager im Schloss Bauschlott gezeigt wird, hat eine abenteuerliche Geschichte. Das Ölgemälde zeigt den Künstler 1944 als Soldat in Uniform, mit ausgemergeltem, fahl-grünem Gesicht, Pinsel und Palette in der Hand. Nachdem in der Ukraine ein Haus über ihm zusammengebrochen war, kam Hager als Kriegsversehrter an den Gardasee. Dort hatte er die Aufgabe, Sehenswürdigkeiten zu besuchen und für die dort stationierten Soldaten zu beschreiben, um ihr Verständnis für Land und Leute und Kultur zu wecken.

Natürlich nutzte der Künstler die Zeit auch, um zu malen. Die Bilder schickte er kistenweise an seine Mutter nach Karlsbad im heutigen Tschechien, wo sie bei einem Bombenangriff 1945 verbrannten. Die Kiste mit dem Selbstporträt als Soldat ging verloren und konnte erst 1952 der Familie zugestellt werden. Mit enthalten war ein Tagebuch, in dem Wilhelm Hager beschreibt, wie seine Bilder von einem Offizier als „entartet“ bezeichnet wurden, was in einer tätlichen Auseinandersetzung und entsprechender Bestrafung endete.

Die eigentliche künstlerische Karriere des klassisch-akademisch ausgebildeten Malers und Bildhauers Wilhelm Hager begann, als er nach dem Krieg ins württembergische Illingen zog und hier eine Familie gründete. Die Ausstellung, die von seinen Kindern Margret Schmid und Marcel Hager zusammengestellt wurde, zeigt einen Querschnitt durch alle Schaffensperioden. Kundenaufträge wie die in den 1950er-Jahren beliebten Blumen- und Landschaftsbilder sicherten den Unterhalt der Familie.

Nebenbei probierte sich der Künstler in unterschiedlichsten Stilen von Expressionismus über Kubismus bis Informel, wobei seinem lebhaften Temperament am besten spontane, schnelle Arbeitstechniken zusagten. So entstanden in allen Lebensabschnitten Aquarelle, die sich von stark reduzierten, aus Farbschichtungen gestalteten Landschaften zunehmend in abstrakte Farbexplosionen auflösten. Mit seinen Porträtbüsten wurde Wilhelm Hager bekannt und kam zu wirtschaftlichem Wohlstand. Das erlaubte ihm, sich mit dem zu beschäftigen, was seine Leidenschaft war. Wild bewegte, großformatige Gemälde im Stil des Informel, starkfarbige experimentelle Kreationen aus Kunstharzlack.

Hager entdeckte für seine Plastiken die Aluminium-Silizium-Legierung, die man in den 1970er-Jahren für die Automobilindustrie entwickelt hatte, als idealen Werkstoff. Die Styropor-Modelle der Unikate bearbeitete er mit heißem Draht. Beim Guss lief dann das verflüssigte Styropor zäh über dicke Röhren ab, nicht ohne den Plastiken Oberflächenstruktur zu verleihen.

Die Schau, die an diesem Samstag, 2. Oktober, um 17 Uhr eröffnet wird und unter der Schirmherrschaft des Landratsamts Enzkreis steht, zeigt Bilder und Plastiken aus 50 Jahren von 1944 bis 1994, darunter unverkäufliche Werke aus Familienbesitz. Ansonsten kann man sich auch heute noch einen Hager kaufen: Dem Künstler war es am liebsten, seine Arbeiten kamen unter die Leute.

Wilhelm Hager, Einhundert. Ausstellung im Schloss Bauschlott, Weißer Saal, bis 17. Oktober, Mittwoch bis Sonntag 15 bis 18 Uhr

Autor: Uta Volz