Niefern-Öschelbronn
Niefern-Öschelbronn -  22.06.2020
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Pädagogen kritisieren Digitalisierungslücken

Niegfern-Öschelbronn/Mühlacker. Der Lockdown an den Schulen wird Stück für Stück gelockert, die Kinder und Jugendlichen kommen zurück in den Unterricht und die Zeiten des Homeschoolings gehen zu Ende. Es wird also Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen, wie gut oder schlecht die Bildungseinrichtungen mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zurechtgekommen sind – und was sich künftig ändern muss. Wer mit Lehrern, Rektoren und Schulsozialarbeitern spricht, dem präsentiert sich ein weitestgehend einheitliches Bild: In Sachen Digitalisierung – und vor allem digitaler Kompetenz – muss sich noch einiges tun. Und auch die Klassengröße in den Schulen könnte wohl bald – wieder einmal – zur Debatte stehen.

Joachim Eichhorn, Rektor der Kirnbach Grund- und Werkrealschule in Niefern und zugleich Kreisvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, hebt zwar hervor, dass es viele Kinder gibt, die mit dem Verfassen einer E-Mail ebenso wenig ein Problem hätten wie mit dem Einscannen und Zurücksenden eines ausgefüllten Arbeitsblattes. „Aber es gibt eben auch viele, die das nicht können.“

Womöglich alleine schon deshalb, weil im Haushalt zwar Handys vorhanden seien, aber kein Laptop oder Computer. „Andere Familien wiederum haben mehrere Kinder und vielleicht sind auch die Eltern im Homeoffice“, sagt Eichhorn. „Wenn dann nur ein PC vorhanden ist, werden die Ressourcen schnell knapp.“

Von Angesicht zu Angesicht

Eichhorn macht sich wie sein Kollege Hans-Joachim Blum, Rektor der Mörike-Realschule (MRS) in Mühlacker, Gedanken darüber, was passiert, wenn es noch einmal zu einem coronabedingten Lockdown kommen sollte. Und beide hoffen, dass es dazu nicht kommt. Die Pädagogen sind froh, dass nun endlich wieder Präsenzunterricht erlaubt ist. Denn obwohl das Homeschooling während der Corona-Pause Abhilfe schaffen konnte, sei es kein Vergleich zu dem Unterricht im Klassenraum. „Unterrichten ist in erster Linie Beziehungsarbeit“, sind sich die Schulleiter sicher. Und das gehe nun einmal von Angesicht zu Angesicht (selbst wenn Teile davon unter einer Maske stecken) eben wesentlich besser als per Mail oder Videokonferenz. Dass zudem die technischen Voraussetzungen vielerorts fehlen, um den Stoff digital sinnvoll vermitteln zu können, unterstreicht Mörike-Rektor Blum: Seit Jahren schon wolle die MRS die Digitalisierung an der Schule vorantreiben und ausbauen. Ohne finanzielle Mittel gestalte sich die Umsetzung allerdings sehr schwierig. Um Fördermittel vom Land zu erhalten, würden den Schulen unheimlich viele behördliche Hürden in den Weg gestellt, die Blums Ansicht nach völlig unnötig sind.

Gewerkschafter Eichhorn kann da nur zustimmen: „Es gibt ja Überlegungen, beispielsweise Geld bereitzustellen, um jenen Kindern einen Leihcomputer anzubieten, die darauf angewiesen sind.“ Das wäre sicherlich hilfreich – allerdings nur dann, wenn man den Schülern vorher beigebracht habe, wie man überhaupt mit einem solchen Gerät umgeht und es richtig nutzt. Stichwort: digitale Kompetenz.

Ohnehin sei eine bessere und modernere Ausstattung natürlich dringend notwendig – an einem Grundproblem ändere aber auch der beste Computer und die schönste digitale Tafel nichts: nämlich den falsch bemessenen Klassengrößen. „Wenn Corona ein Gutes hat, dann ist es die Notwendigkeit, aufgrund der Abstandsregeln derzeit nur mit der Hälfte der Schüler im Klassenzimmer zu sitzen“, sagt Eichhorn. Das Konfliktpotenzial sinke rapide, die Schüler könnten sich sehr viel besser konzentrieren und die Lehrer dementsprechend ihren Stoff viel besser vermitteln. „Wir sehen enorme Fortschritte“, so Eichhorn.

Womöglich führt die Pandemie also dazu, sich nicht nur über die Möglichkeiten digitalen Lernens Gedanken zu machen, sondern auch darüber, die Klassengrößen dauerhaft zu reduzieren.

Autor: Maximilian Lutz und Laura Cichecki