Niefern-Öschelbronn
Niefern-Öschelbronn -  15.10.2025
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Raum und Zeit für Sterneneltern: Zwei Frauen schaffen in Niefern-Öschelbronn den "Herzensraum"

Niefern-Öschelbronn. Ein Kind zu bekommen, ist meist die Erfüllung eines Wunsches aus tiefstem Herzen. Es in der Schwangerschaft, während oder kurz nach der Geburt zu verlieren, stürzt Eltern in eine tiefe Trauer. Eine Trauer, mit der sie sich häufig allein fühlen. Denn über Fehlgeburten zu sprechen, ist nach wie vor ein Tabuthema, sind Melanie Klotz und Julia Gerhard überzeugt. Die Frauen haben sich zusammengetan, um in Öschelbronn mit dem Projekt „Herzensraum“ einen Ort für Eltern zu schaffen, die sich über den Verlust ihres Kindes mit anderen Betroffenen austauschen möchten.

Sternenkinder Eltern Treff Öschelbronn
Julia Gerhard (links) und Melanie Klotz unterstützen trauernde Eltern. Foto: Röhr

Klotz leitet seit Jahren Kurse für Eltern während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Gerhard ist Doula und begleitet Frauen ergänzend zur Hebamme vor, während und nach der Geburt vor allem auf emotionaler Ebene.

Zwischen den Müttern hat die Chemie sofort gestimmt. Das Thema stille Geburt ist ihnen beiden ein Herzensanliegen – auch aus ganz persönlichen Erfahrungen heraus. Gerhard hat nicht nur ihre drei- und fünfjährigen Kinder an der Hand, sondern auch eines, das sie im Herzen trägt. Sie hat es während der Schwangerschaft verloren. Ihr habe es damals sehr geholfen, zu spüren, dass sie damit nicht alleine ist, sagt sie 39-Jährige. Während der Doula-Ausbildung hatten auch die Begleitung von stillen Geburten und Trauer ihren Raum. Für Gerhard war klar: Diesem Thema möchte sie sich widmen.

Klotz hat im Rahmen ihrer Kurse immer wieder Frauen begleitet, die Fehlgeburten erlitten haben. „Mir wurde klar: Ich brauche mehr Hintergrundwissen, um ihnen beistehen zu können“, sagt sie. Ohne Floskeln zu verwenden, ohne unabsichtlich zu verletzen. Sie bildete sie sich im Rahmen einer Fachtagung zum Thema Sternenkinder fort – und unerwartet brach sich dabei ein eigener, tiefer Schmerz aus längst vergangener Zeit Bahn. Aus ihrer Kindheit, als ihr Bruder am plötzlichen Kindstod starb. Fünf oder sechs Jahre alt war sie damals – und ihre Eltern mit der Trauer so überfordert, dass es keinen Raum für Gespräche gab. Während des Fachtags hat sie erfahren, wie heilsam Austausch ist, das bewusste Abschiednehmen, Raum für Trauer, für Verständnis und dafür, neue Kraft zu schöpfen. Diese Erfahrung wollte sie auch anderen ermöglichen und machte eine Zusatzausbildung für die Begleitung von Eltern von Sternenkindern.

Der „Herzensraum“ öffnet

Mit Gerhard traut sie sich zu, Eltern beizustehen – und das Tabu zu brechen, das längst keines mehr sein sollte. „Viele Frauen sprechen gar nicht darüber“, weiß Klotz. Vor allem, wenn der Verlust sie in der Frühschwangerschaft trifft, schämten sie sich teils sogar für ihre Gefühle. Dabei dürfe die Frage, auf welche Art und wie lange jemand trauert, nicht am Fortschritt der Schwangerschaft festgemacht werden, findet sie.

Mit dem „Herzensraum“ haben die beiden einen geschützten Ort des Austauschs geschaffen, aus dem nichts nach außen dringt. Ehrenamtlich bereiten sie die Abende mit den Eltern vor uns nach, halten die Emotionen, leiten die Gespräche an, schaffen einen Rahmen für heilsame Begegnungen und Gespräche. Die erste Veranstaltung hat bereits stattgefunden. Es kamen Menschen zusammen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund: Die einen hatten ihr Kind in der Frühschwangerschaft verloren, andere kurz vor der Geburt. Bei manchen war der Verlust noch ganz frisch, bei anderen lag er Jahre zurück. Die Eltern haben sich und ihre Geschichten einander vorgestellt, gemeinsam gebastelt, sind im Rahmen einer Meditation auf eine Fantasiereise gegangen. Für Gerhard und Klotz eine intensive, wertvolle Erfahrung. Beeindruckt von dem Mut der Eltern, sich Fremden zu öffnen, gehen sie dem nächsten Abend in dieser Woche entgegen. Sie fühlen, dass ihr Angebot eine Lücke schließt, die unausgesprochen schon lange da war.

Klar sei aber: Sie sind keine Psychologinnen. „Wenn wir merken, dass noch mehr Redebedarf ist, haben wir Adressen, die wir weitergeben.“ Die beiden hoffen, dass ihr Netzwerk dafür noch wächst und sich Kooperationen ergeben, vielleicht sogar Sponsoren finden für das ehrenamtlich getragene Projekt. Es soll wachsen. Zu einer Gruppe, die sich gegenseitig Kraft gibt, unterstützt, Mut macht und neue Hoffnung schöpfen kann – diesen Wunsch tragen die beiden Frauen tief im Herzen. Und nun auch in die Welt.

Kommende Veranstaltungen und Aktionen

  • Am Tag der Sternenkinder, Mittwoch, 15. Oktober, werden zum Gedenken um 19 Uhr Kerzen angezündet. Melanie Klotz und Julia Gerhard haben Fotos von Eltern gesammelt und werden diese in Form eines Videos auf die Reise schicken. Dieses und weitere Infos gibt es auf ihren Instagram-Kanälen mamaliebe_babyglueck1 und juliagerhard_herzbauchgefuehl.
  • Das nächste Mal öffnet sich der Herzensraum für Eltern von Sternenkindern am Freitag, 18. Oktober, von 18.30 Uhr bis 20.30 Uhr in Öschelbronn, Im Heckbronn 1. Neben dem Austausch ist die Gestaltung eines Briefes an das Sternenkind vorgesehen sowie ein meditativer Abschluss und die Möglichkeit, einen Ballon steigen zu lassen. Anmeldungen nehmen Melanie Klotz (01577)3046333 und Julia Gerhard (0151)52662016 entgegen. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Spende willkommen.
  • Am Freitag, 14. November, liest Stefanie Goldbrich in der Bücherei Öschelbronn, Parkstraße 1, ab 17 Uhr aus ihrem Buch „Eine Handvoll Sonnenschein“. Darin erzählt sie über ihren Kinderwunsch, das kurze Leben ihres Sohnes und seinen Tod.Im Anschluss ist Zeit für Fragen und Austausch. Der Eintritt ist frei, Spenden gehen an das Projekt „Herzensraum“. Anmeldung bei der Bücherei telefonisch unter (07233)941213 oder per WhatsApp an (0151)57451430.