Remchingen
Remchingen -  28.04.2022
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Der Remchinger Sperlingshof: Einst ein Ort mit recht zweifelhaftem Ruf

Remchingen. Da wird Geschichte lebendig: Bei einer Führung mit Historiker Jeff Klotz geht es im Mai um den Remchinger Sperlingshof – passend zum 100-jährigen Bestehen, das das Kinder- und Jugendheim in diesem Jahr feiert. Anschließend werden die Sanierungspläne für die Einrichtung vorgestellt, wie Geschäftsführer Raimund Schmidt ankündigt. Auch bei dieser Veranstaltung soll fleißig die Spendentrommel gerührt werden: Schließlich ist das ehrgeizige Ziel, eine Million Euro für die Sanierung zu sammeln – bisher sind rund 220.000 Euro eingegangen.

Im Jahr 1737 errichtete Albert Sperl das Gebäude.
Im Jahr 1737 errichtete Albert Sperl das Gebäude. Foto: Privat

Die Führung wird zuerst auf den Klosterweg zum ehemaligen Standort eines Klosters (1460) führen. Und hier beginnt schon der interessante Ausflug in die Geschichte: Bei dem Kloster handelte es sich um eine der bedeutendsten Wallfahrtskirchen der Region und der Sperlingshof war eine Station auf dem Pilgerweg nach Rom.

"Bis zu zehn Kleriker wohnten dort und versorgten die Wallfahrer", weiß Jeff Klotz. "Auch Johannes Reuchlin war als Vikar in diesem Kloster." 1568 wurde das Kloster dann aufgelöst. Wie der Autor, Verleger und Museumsleiter weiter berichtet, fand dort erst 1773 mit dem Bau des "Sperlhofes" auch wieder Wohnen und Gaststättenbetrieb statt. "Damals war dort auch der Standort der Gerichtsstätte von Ersingen und Wilferdingen", ergänzt er.

Hof sollte einst abgerissen werden

Weitere Details beleuchtet die Ortschronik Ersingen: Dort wird berichtet, dass 1382 das Dorf Bilfingen in den Besitz der Abtei Frauenalb überging – damit auch das Gebiet, auf dem der jetzige Sperlingshof steht. Im Jahr 1737 berichtet das damalige Oberamt Pforzheim, dass die Äbtissin von Frauenalb, Gertrud von Ichtersheim, durch ihren Ersinger Beamten Albert Sperl an der Landstraße einen landwirtschaftlichen Bau errichten wolle.

Es wurde befürchtet, dass das sicher ein Unterschlupf für allerhand "liederliches Gesindel" abgeben würde. Also wurde ein warnendes "Sieh-Dich-für" erhoben – so heißt die Gegend bei der älteren Generation heute noch. Der Bau wurde genehmigt, es war jedoch unter Androhung von Geldstrafen verboten, das Gasthaus zu besuchen. Die Befürchtungen waren nicht von ungefähr: Der Wirt beteiligte sich wohl selbst an Räubereien, der Hof sollte abgerissen werden. Dazu kam es nicht, aber alle Weinbestände wurden beschlagnahmt.

In der Zeit bis zur Gründung des Waisenheimes nach dem Ersten Weltkrieg war der Alte Sperlingshof unter anderem Sitz einer Falschmünzerei und Vorspannstation für Fuhrwerke. 1921 wurde dann von der Evangelisch-Lutherischen Freikirche eine "Kinderfreundgesellschaft" gegründet, der Hof zum Waisenheim ausgebaut und am 2. Mai 1922 wurde das erste Kind aufgenommen: aus dem Sperlhof wurde das Waisenheim Sperlingshof. Bei der Führung, die etwa 45 Minuten dauert, berichtet Jeff Klotz noch mehr Wissenswertes. Danach folgt ein Einblick in die aktuelle Arbeit und das Spendenprojekt "Lernen braucht T-Räume".

Die Führung beginnt am Mittwoch, 11. Mai, um 18 Uhr. Treffpunkt ist die Bushaltestelle Sperlingshof.

Autor: sab