Remchingen
Remchingen -  12.12.2017
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Die nackte Wahrheit: Uli Boettcher übers Älterwerden

„Ich weiß, warum Sie klatschen“, meint Uli Boettcher, als er am Sonntagabend die Bühne des Löwensaals in Nöttingen betritt: „Sie sind erleichtert, dass ich angezogen bin.“

Das Plakat zu seinem Programm hatte diese Befürchtung nämlich durchaus nahelegt. Aber alles halb so wild: Um Nacktheit im körperlichen Sinn sei es ihm dabei gar nicht gegangen, sagt Boettcher, sondern um die nackte Wahrheit, die er seinen Zuhörern schonungslos präsentieren will. Die nackte Wahrheit über das Leben jenseits der 50. Ein Leben, das der Kabarettist als „Silberrücken im Nebel“ mittlerweile selbst bestens kennt. Eines, das manchmal sehr anstrengend sein kann. Wenn etwa der eigene Körper nicht mehr so mitmacht wie früher. In jungen Jahren, da haben seine Knie den Sport getrieben, den er für sie ausgesucht hat, erzählt Boettcher. Jetzt geht nur noch Fahrradfahren. Eine knieschonende Tätigkeit, die „Vorstufe zum Rollator“, der viele Über-50-Jährige in „Sport-Fashion-Function-Wear“ nachgehen, die „sich wurstpellenartig um jede Rundung herumpresst“.

Der Schmerz, der bleibt

Tja, es ist eben nicht einfach, wenn man älter wird. Wenn man dann einen Schmerz entdeckt, weiß man: Der bleibt. Fast ein bisschen wie die „Panini-Sammelbildchen des Alters“. Auch das mit der Gelassenheit funktioniert dann nicht immer so gut. „Sozial inkompatibel“ nennt Boettcher das, wenn es sofort aus einem herausplatzt, sobald man sich aufregt. Und aufregen kann Boettcher sich gut und lange: über Menschen, denen ihre Handys wichtiger zu sein scheinen als alles andere. Über Zweite-Reihe-Parker und Mac-Donalds-Tüten-aus-dem-Fenster-Werfer. Über seine Tochter, die das „Instrument des Teufels“ spielt: Geige. Und über den Umstand, dass Kinder sich sowieso nie für die Mühen ihrer Eltern bedanken.

Eigene Evolutionstheorie

Von einem Thema kommt der Kabarettist zum nächsten. Er imitiert den Tierfilmer Bernhard Grzimek, erzählt von seiner Pubertät und berichtet, dass er mit 15 den Traum hatte, nach Kanada auszuwandern. Er macht sich über Klassentreffen lustig, entwickelt seine eigene Evolutionstheorie und will wissen, wie alt der Jüngste im Publikum ist: 23.

Überhaupt ist das Publikum bei ihm von Anfang an mittendrin statt nur dabei. Unter seinen Zuhörern sucht der selbst ernannte „Ü-Fünfziger“ nach gleichaltrigen Verbündeten, er tauscht Erfahrungen aus, gibt Tipps und kommentiert auch mal, wenn jemand mitten im Programm auf die Toilette muss oder auf seinem Handy tippt. Das Publikum kommt aus dem Lachen nicht mehr heraus und spendet nicht nur einmal tosenden Applaus.

Autor: Nico Roller