Remchingen
Remchingen -  21.01.2019
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Knapp 200 Besucher feiern Shantel und sein Bucovina Club Orkestar in Remchingen

Remchingen. Ein absolutes Phänomen: Kaum legen Shantel und das Bucovina Club Orkestar los, zieht es die bunt gemischte Meute an den Bühnenrand. Die Kulturhalle verwandelt sich in eine große Tanz-Arena. Obwohl am vergangenen Freitagabend mit knapp 200 Besuchern durchaus Luft nach oben gewesen wäre, gibt es keine falsche Schüchternheit. Von Anfang an ist Party angesagt, laut und wild.

Der Mann, der in einem Anflug von Größenwahnsinn kurzzeitig mal OB in Frankfurt werden wollte, tourt üblicherweise eher durch Großstädte. In Remchingen verbreitet Shantel mit seiner Polka-Brass-Combo auf Einladung des Veranstalters Kangeroo Event Glanz. Oder, um es mit dem Künstler zu sagen: Viva Diaspora.

Stefan Hantel, kurz Shantel, ist ein Pionier des Balkan-Beat. Nachdem er in den 1990er-Jahren als DJ und Produzent mit Größen wie Kruder & Dorfmeister noch auf der Lounge- und Downbeat-Welle schwamm, hat er sich 2000 bei einem Besuch seiner Oma in der Bukowina, diesem Einwanderer-Schmelztiegel zwischen der Ukraine und Rumänien, für Balkan-Blasmusik begeistert und einen Popstil aus der Taufe gehoben. Längst ist dieser bei Wettbewerben wie dem ESC angekommen.

Dazu braucht es einen Bläsersatz und viel ungeraden Rhythmus, bei dem man mit muss. Der Drummer donnert präzise Grooves im Zweivierteltakt. Die Band bedient sich weitgehend beim Ska, dem sogenannten Off-Beat (weg vom Schlag). Der Bassist lässt bisweilen seine Dub-Reggae-Kompetenzen durchblitzen. Zwei Posaunisten und eine Saxofonistin ergänzen das druckvolle Klanggewitter. Sie schmettern mit viel Verve einfache, kurze Melodielinien, die sie so oft wiederholen, dass jeder mitsingen kann.

Überhaupt, die Texte. „Exotic“ reimt sich so hübsch auf „erotic“ wie „Paprika“ auf „Afrika“. Refrains wie „La di da di da“ und „Le le ley le la ley“ lassen sich selbst im Zustand kompletter Umnachtung mitsingen – gewiss ein Geheimnis des Erfolgs. Wie auch der kulturell-musikalische Mix aus Einflüssen aus Südosteuropa, dem Nahen Osten und Mittelmeerraum mit Reggae sowie einer Prise Funk. Shantel macht Migration hör- und tanzbar.

Er selbst steht mit seinem Strohhut im Zentrum, liefert an der Gitarre Stützakkorde und singt mehrsprachig. Hantel weiß, was die Leute wollen. Nach 20 Minuten gibt es den großen Hit „Disko Partizani“. Später lässt er, wie passend, das alte italienische Partisanen-Lied „Bella Ciao“ mitsingen, den Überraschungserfolg aus dem vergangenen Jahr. Ob „Disko Boy“, „Planet Paprika“ oder „Donna Diaspora“ – seine Stimmungsmusik klingt stets ähnlich, in Sachen Abwechslung tut sich zwischen Up- und Midtempo wenig.

Auf der Bühne dagegen ein ständiger Strom an Aktionen und Animationen, Stagediving einer Besucherin inklusive: Im Wechsel treten die Musiker an die Rampe. Mal einzeln, mal geschlossen motivieren sie das Publikum zum Mitwinken, Mitklatschen und Mitsingen. Der schlaksige Drummer Marcus Darius zeigt sich als echter Einpeitscher. Hinhocken, still sein und aufspringen – fast jeder im Saal folgt seiner, von früheren Konzerten bekannten Dramaturgie. Was zählt, ist die Party. Das ist doch was an diesen kalten Tagen!

Autor: Michael Müller