Rafik Schamis toter Kardinal im Olivenölfass: Deutsch-syrischer Autor präsentiert sein neues Buch in Remchingen
Remchingen. November 2010: Noch herrscht Frieden in Syrien. Noch. Früh morgens wird an der italienischen Botschaft ein großes Fass mit Olivenöl angeliefert. Der Koch will die Qualität prüfen, löst die vier Schrauben des Deckels und erschrickt: Die Leiche eines Kardinals aus Rom schwimmt darin, mit zwei Goldmünzen unter den Augenlidern und einem schwarzen Basalt-Stein anstelle des Herzens. Wer hat den Geistlichen umgebracht? Und warum? Fragen, die Kommissar Barudi beantworten muss.
Im neuesten Roman von Rafik Schami macht sich der erfahrene, etwas untersetzte Kommissar auf die Suche nach der Wahrheit und merkt schnell: Hier handelt es sich nicht um irgendeinen primitiv ausgeführten Mord, sondern um eine gezielte Mafia-Tötung, begangen von Profis. Als der deutsch-syrische Autor „Die geheime Mission des Kardinals“ am Montagabend in der Remchinger Kulturhalle vorstellt, hat er auf der Bühne keine Ausgabe des Buchs in der Hand. Worum es darin geht, weiß er auswendig.
Vollkommen frei erzählt er seinen Zuhörern die Geschichte von Kommissar Zacharia Barudi, der mittlerweile 65 Jahre alt ist und kurz vor der Pensionierung steht. Auf schmerzliche Weise hat er immer wieder erfahren müssen: Die Suche nach der Wahrheit ist extrem schwer in einer Diktatur, in der es weder Demokratie noch Freiheit gibt. Die obere Schicht der Gesellschaft ist tabu, ihr darf man keine Fragen stellen. Die größten Gegner des im Lauf der Jahre depressiv gewordenen Kommissars sind nicht etwa die Verbrecher, sondern die Geheimdienste, die sogar Mörder in Schutz nehmen. Doch in diesem Fall soll alles anders sein: Barudis Vorgesetzter, ein mächtiger Mann, verspricht es ihm.
Zusammen mit einem Ermittler aus Italien macht sich der Kommissar auf die Suche nach den Mördern. Eine Suche, die sie in den Norden des Landes führt, wo sie auf Islamisten treffen. Eine Vorausdeutung auf den Syrienkrieg. Die beiden Ermittler landen im Gefängnis. Der ekelerregende Geruch der dort liegenden Matratzen, die köstliche Linsensuppe, das Gespräch mit den Entführern: Rafik Schami erzählt es so, als wäre er selbst dabei gewesen, als sei Barudi nicht eine seiner Fantasie entsprungene Figur, sondern ein guter Freund, den er in regelmäßigen Abständen trifft.
Das Publikum vergisst, dass es sich bei dem Erzählten um eine fiktive Geschichte handelt. Barudi wird lebendig. Man erfährt von seiner Kindheit in einer Gegend Syriens, in der die Armut die Genialität der Kinder frisst, weil sie auf dem Feld helfen müssen, sobald sie alt genug sind. Man glaubt, das Innere des belebten Friseursalons vor sich zu sehen, den Barudi regelmäßig besucht. Und man kann den Schmerz fühlen, der den Kommissar erfüllt, nachdem seine geliebte Frau plötzlich verstorben ist.
Geschickt mischt Schami Fiktion und Realität. Der Autor kennt die syrische Gesellschaft, weiß, wie die Menschen dort ticken und wie das System funktioniert. 1971 ist er in die Bundesrepublik ausgewandert und hat für sein literarisches Schaffen unzählige Auszeichnungen erhalten. Als er in Remchingen seine Lesung nach fast zwei Stunden beendet, bricht tosender Beifall los. Das Publikum hätte ihm und seinen Geschichten ewig zuhören können.
Rafik Schami: „Die geheime Mission des Kardinals“, Hanser Verlag, 432 Seiten, 26 Euro