SWR3 Live Lyrix begeistern in der Remchinger Kulturhalle
Remchingen. Der Höhepunkt kommt zum Schluss: 17 Minuten aus dem Leben von Kyriacos Panayiotou. Kennen Sie nicht? Da hilft das „Bildungsprogramm“ weiter, wie Moderator Ben Streubel die SWR3 Live Lyrix beschreibt.
Denn das fiktive Interview mit dem viel zu früh verstorbenen George Michael gibt tiefe Einblicke in eine verwundete Seele des Popstars, der viele Jahre die Presse scheute. Und so macht Live Lyrix aus der Not eine Tugend, denn alle Antworten hat der Sohn eines griechischen Vaters in seinen Songs gegeben: „Ich werde immer müder und die Zeit steht still vor mir. Erfroren hier, auf der Leiter meines Lebens.“ Ein Moment, der das Publikum in der ausverkauften Remchinger Kulturhalle still werden lässt, ehe donnernder Applaus losbricht.
Große Gefühle
Das Kopfkino funktioniert: Seit Jahren schon ist das Format, in dem englische Songtext ins deutsche übersetzt und als kleine Theaterstücke gespielt werden, höchst erfolgreich. Da reichen Alexandra Kamp und Ronald Spiess ein paar wenige Requisiten, eine Videowand im Hintergrund, um nicht nur manches besser zu verstehen, sondern auch ganz eigene Assoziationen zu wecken. Beispiel gefällig? Sängerin P!nk lässt in ihrem Song „Barbies“ die sorglosen Zeiten im Kinderzimmer aufleben: „Ich wünschte, ich könnte zurückgehen und wieder Barbie in meinem Zimmer spielen“. Und wie Kamps schwelgt auch das Publikum in nostalgischen Gefühlen. Überhaupt die Emotionen: „Hören, fühlen, verstehen Sie!“ lautet die mit Säuselstimme gesprochene Aufforderung zu Beginn des Programms. Und die drei Akteure greifen tief in die Gefühlskiste: Ob mit Steven Tyler, der mit „Amazing“ eine Bedienungsanleiter fürs Leben gibt: „Die Richtigen sperrte ich aus, und die Falschen ließ ich rein.“ Wenn Roland Spiess als Junkie sich einen Schuss setzt, dann bekommt „Once In A Lifetime“ von The Nightgame eine ganz andere Bedeutung: „Weck’ die Toten und träum’ vom Engel, dem Sünder, dem Heiligen“.
Und Gänsehaut kriecht die Arme hoch, wenn zum Pink Floyd-Song „Hey You“ aus „The Wall“ der Schauspieler als heruntergekommener Obdachloser einzelne Besucher direkt fragt: „Hey Du. Kannst Du mich spüren?“ Überhaupt die Publikumsbeteiligung: Da dürfen Alex, Jasmin, Ulrike und Carmen raten, welche deutschen Titel sich hinter den „denglischen“ Übersetzungen verbergen (sehr zum Jubel und Mitkatschen auch „Polonäse Blankenese“), und da blickt der schlagfertige Ben Streubel in ratlose Gesichter, wenn er fragt: „Was heißt eigentlich Katchi?“ Den Sommerhit von Nick Waterhouse interpretieren Kamp und Spiess auf die schwäbische Art: Denn was im Yoga eine „zärtliche Berührung“ ist, hat auch weit intimeren Hintergedanken – und den treibt die Hausfrau Kamps ihrem Müllmann Spiess gleich mit dem Pümpel aus. Ganz eindeutig treibt es hingegen Ronald Spiess bei den fröhlichen Turnspielen zum Peter-Gabriel-Hit „Sledgehammer“: „Wenn du willst, bekommst du einen großen Schöpflöffel – der geht rauf und runter und kommt überall hin… Ich wäre so gern dein Vorschlaghammer“.
Songs von Katy Perrie, Sam Smith, Zara Larsson, Portugal. The Man, das Best-Off-Quentin-Tarantino-Medley – die zweieinhalb Stunden und 13 Nummern gehen viel zu schnell vorbei, ehe sich das Trio zu Adriano Celentanos „Azzuro“ vom begeisterten Publikum verabschiedet.