Satire „Extrawurst“ lässt Gegensätze kollidieren - Grill-Scharmützel im Remchinger Vereinsheim
Remchingen. Wie das nun mal so ist: Im heftig ausgetragenen Streit tritt manch sonst geflissentlich verborgener Charakterzug urplötzlich holzschnittartig, schroff und verletzend zutage. Was die Posse „Extrawurst“ betrifft, vermag an dieser auch die eingangs in Endlosschleife zu Tode gequälte Stadionhymne „You‘ll Never Walk Alone“ nichts zu ändern. Streit in einem ganz offensichtlich in die Jahre gekommenen Bühnen-Vereinsheim ist der Plot des neuen Stücks von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob.
Am Mittwochabend verfolgen gut 150 Zuschauer in der Kulturhalle Remchingen den verbalen Schlagabtausch in einem genüsslich und mit viel Liebe zum Detail karikierten Tennisclub.
Das fünfköpfige Ensemble auf der Bühne schart sich um den in Ehren ergrauten Vereinspräsidenten Dr. Heribert Bräsemann (Gerd Silberbauer) und besteht aus dem intrigant-ambitionierten zweiten Vorsitzenden Matthias Scholz (glänzend gespielt von Daniel Pietzuch), aus dem türkischen Anwalt Erol Oturan (Matthias Happach), seiner Tennis-Partnerin Melanie Pfaff (Susanne Theil) und ihrem Gatten Torsten Pfaff (Hans Machowiak). Ihr Streit entzündet sich im Verlauf einer Mitgliederversammlung: Beim Tagesordnungspunkt „Beschaffung eines neuen Vereins-Grills“ prallen alle zuvor leise schlummernden Gegensätze schrill aufeinander.
Die erklärten „Gutmenschen“ des Tennisclubs – Melanie und Torsten Pfaff – drängen auf einen Zweitgrill, damit Erol Oturan auf diesem seine Sucuk-Knoblauchwürste fern von Schweinesteaks „halal“ brutzeln kann. Oturan will jedoch „keine Extrawurst“ und schlägt vor, seinen eigenen Grill zum Vereinsfest mitzubringen. Pech nur: Der ist deutlich größer, als der vom zweiten Vorsitzenden vorgeschlagene – und so gießt Matthias Scholz verbales Öl ins Feuer: „Du willst als Einzelner einen Grill, dessen Grillfläche so groß ist, dass er zwei Postleitzahlen hat“. Die Eskalation ist da: Den sarkastischen Einwurf, es gelte „die nationale Grill-Identität zu bewahren, beantwortet Scholz mit dem Unheil witternden Ausruf: „Ich will mir meinen Verein nicht wegnehmen lassen“.
Am Ende gibt’s keine Sieger
Vereinspräsident Dr. Bräsemann appelliert mit dem etwas angestaubten Slogan: „Im Frieden und im Krieg, bringt die Einigkeit den Sieg“. Doch im biederen Vereinsheim läuft längst so etwas wie ein abendländisch-vegetarisch-osmanischer Dreiecks-Scharmützel: Neid und Missgunst triumphieren.
Alles kommt auf den Tisch. Oder in den brachialen Mixer der hochkochenden Emotionen: Ressentiments und Penis-Neid, kolonialer Unrat und die Bevormundung von Frauen. Der graue Vorsitzende wirft entnervt hin. Sein pomadiger Vize Scholz reibt sich die Hände. Das gemischte Tennis-Double Oturan-Pfaff platzt, die Ehe der Pfaffs gleich mit.
Fast alle Protagonisten verlassen den Verein. Die vom Euro-Studio Landgraf produzierte Posse „Extrawurst“ überzeichnet alle im Vereinsrecht möglichen Eigenheiten und Querelen deutlich mit geradezu schallenden Satire-Ohrfeigen – alle Darsteller werden nach der mehr als anderthalbstündigen Vorstellung vom Remchinger Publikum ausgiebig gefeiert.