Vollgas auf der Freibad-Bühne: Besucher erleben Künstler in Remchingen live durch Windschutzscheibe
Remchingen. Motor aus, Kulturprogramm an: Mit der Premiere der Remchinger Freibad Bühne hat die Kulturhalle einen Volltreffer gelandet. Die Mischung aus kultigem Autokino-Comeback und Festivalfeeling auf der grünen Wiese, vor allem aber die Möglichkeit, Künstler nach Wochen wieder live erleben zu können, füllte am Freitagabend fast alle der 100 Stellplätze für Autos mit bis zu zwei Erwachsenen und eigenen Kindern.
Kabarett mit Rolf Miller
„Leut, ihr seht gut aus“, begrüßte Kabarettist Rolf Miller mit Blick in die zur Premiere ausnahmsweise hupende und blinkende Menge, unter der sich nach unkomplizierter Einfahrt eine bunte Kennzeichen-Mischung von Lörrach bis Dortmund befand, „Früher ging man vor solchen Abenden zum Frisör – heute fährt man durch die Waschanlage“, sagte Miller. Die Trennung durch die Windschutzscheibe konnte den 53-Jährigen auf seinem lässigen Hocker nicht im Geringsten davon abhalten, auf Du und Du mit seinen Fans zu gehen.
Die professionelle Festivalbühne, die dank Leinwand eine gute Sicht bietet, hielt einen kleinen Heizstrahler bereit – dem der unverfrorene Satiriker jedoch keinen müden Blick schenkte. Schließlich heizte der Meister der Halbsätze mit seinem Programm „Obacht“ zahlreichen Bekannten und Unbekannten ordentlich ein. Die gut beleibte Cousine, „Bobbele“ Becker, die „Mayas und die alten Imker“, Merkel oder Özdemir – alle bekamen ihr Fett weg und das, obwohl der raffinierte Sprachkünstler kaum einen seiner Sätze vollendete, und die Pointe gar ausließ: „No nie, dass der mol irgendwas...“
Während auf manchem Beifahrersitz das Bier ploppte, streckten andere die Füße aus dem Fenster oder nutzten den Handy-Bestellservice: „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich das Popcorn nicht selbst machen müssen – richtig toll“, lobt Christa Kröner-Kussmaul aus Wilferdingens, während nebenan auch Marius Nickel aus Karlsruhe voll des Lobes war: „Endlich kommen wir wieder raus und können Kultur erleben“, erklärte er.
Programm steht
Für die nächsten Wochenenden hat der festival-erprobte Kulturhallenleiter Paul Taube das Programm schon sicher, selbst eine UKW-Frequenz sei beantragt, damit der Ton anwohnerfreundlich durchs Radio kommt. Donnerstags ist ein Kinoabend geplant. Auch die vielgeklickten Online-Streams wolle die Kulturhalle fortführen, so Taube, der sich bei vielen Partnern bedankte: „Auch, wenn manches vielleicht etwas komisch wirkt, werden wir uns daran gewöhnen müssen, Kultur in diesem Sommer so zu erleben und sind froh, dass wir es so können“, sagte er.
Oschmann brilliert
Bei dieser One-Man-Show auf der Freibad Bühne passte alles: Komiker und Entertainer Ingo Oschmann (50) sprach die Lachmuskeln der in ihren Autos sitzenden Zuschauer mit offensichtlicher Spielfreude, Erfahrung und zündendem Wortwitz ganz direkt und humorvoll an. Den elfjährigen Yannick band er in seinen Auftritt ebenso ein, wie einen Lehrer und einen Autotuner in der ersten Fahrzeugreihe. Das automobile Publikum antwortete mit Lichthupe, Zurufen und – besonders am Ende des Auftritts – mit einem Hupkonzert. Der aus Bielefeld stammende Dampfplauderer schien mit dem autogestützten Format bestens zurechtzukommen. Er brillierte als Witzeerzähler, streute Zaubertricks ein, die teils hörfunkerprobt waren, gab trotz kratzendem Hals den eloquenten Entertainer und nutzte die Antworten oder Infos aus dem Publikum mit detektivischem Spürsinn.
Kostprobe: Das gut 20-köpfige Service-Team brachte via Handy georderte Snacks, Eis oder Getränke direkt an die Autos. Oschmann beobachtete eine Lieferung von Chips und erkundigte sich: „Welche Geschmacksrichtung hast du bestellt?“ Auf die Antwort
„Pringles“ konterte er: „Du musst Lehrer sein“ – und lag goldrichtig.
Doch Oschmanns Programm hatte auch kabarettistischen Biss. Das Corona-Jammern seines Kollegen Mario Barth geißelte er mit dem Hinweis: „Herr Barth verdient Millionen. Da sollte man in Zeiten der
Krise einfach mal die Fresse halten!“. Und den unglücklich formulierten Beipackzettel eines Analthermometers von Johnson & Johnson zitiert er spöttisch: „Jeder Thermometer wurde von uns individuell getestet.“ Nach der Verwandlung eines Handtuchs in ein Grillhähnchen gab Oschmann eine Tanzeinlage als Zugabe – jede Fahrzeugbesatzung verabschiedete er persönlich.