„Wir lieben und wissen nichts“ in der Remchinger Kulturhalle: Emotionaler Schlagabtausch
Remchingen. Sebastian will nicht umziehen. Er will nicht schon wieder von seiner Freundin Hannah „umgesiedelt“ werden. Und schon gar nicht nach Zürich, damit sie dort mit ihren Zen-Kursen gestressten Bankern beibringen kann, wie man richtig atmet. Aber nun scheint es kein Zurück mehr zu geben, denn Magdalena und Roman stehen schon vor der Tür, um mit ihnen für zwei Monate die Wohnungen zu tauschen.
Zwei grundverschiedene Paare treffen in Moritz Rinkes Stück „Wir lieben und wissen nichts“ aufeinander. Zwei Männer und zwei Frauen, die auf der zum Wohnzimmer verwandelten Bühne der Remchinger Kulturhalle ihre seit langem im Verborgenen vor sich hin schwelenden Konflikte offen austragen.
Hadern mit der Moderne
Sebastian (gespielt von dem bekannten TV-Darsteller Helmut Zierl) kann sich auf nichts Neues einlassen, will mit der Moderne, mit WLAN und Handys, nicht klarkommen, hält alles für dekadent, was ihm nicht in den Kram passt: Einkaufen in Supermärkten, Vergnügen in Bars und Zürich natürlich. Der freischaffende Kulturwissenschaftler verkriecht sich, schreibt Texte über die kulturwissenschaftliche Bedeutung der Katze oder über die Sozialgeschichte der Orgie, Vorworte, die „nicht mal für einen Blumenstrauß reichen“. Das Geld verdient seine Freundin Hannah (Katharina Simone Friedl), die ein Kind von ihm will, das er ihr nicht schenken kann. Eine unausgeglichene Beziehung.
Roman (Uwe Neumann) ist das genaue Gegenteil: laut, polternd, rastlos, überheblich, von sich und seinen Fähigkeiten im IT-Bereich voll überzeugt. Seine Frau Magdalena (Sandrine Guiraud) steht immer an zweiter Stelle und tut alles, um für ihn attraktiv zu bleiben. Es ist kompliziert. Das im ersten Moment noch harmlos scheinende Aufeinandertreffen gerät zu einem Fiasko. Sebastian und Roman können sich zwar nicht leiden, aber dafür verstehen sich Hannah und Roman umso besser und auch Sebastian und Magdalena scheinen Interesse aneinander zu haben. Das Chaos ist programmiert.
Schrittweise beginnt die Situation zu eskalieren, ein verbaler Schlagabtausch jagt den nächsten. Mit Wucht kommt ans Licht, was lange verschwiegen wurde. Etwa, dass Hannah wegen Sebastian ein Kind hat abtreiben lassen. Oder dass Roman eigentlich arbeitslos ist.
Auch wenn sie überzeichnet sein mögen, füllen die vier Schauspieler ihre Rollen überzeugend aus. Sie pendeln hin und her zwischen dem Sich-Anbrüllen und Wild-Herumfuchteln auf der einen und den mit viel Pathos dargebotenen emotionalen Ergüssen auf der anderen Seite. Die Dialoge sitzen, das Timing passt.
Vorhersehbare Gags
Der Zuschauer fühlt mit und hat seinen Spaß. Tragik und Komik liegen nah beieinander. Für gesellschaftskritische Töne ist nicht viel Platz. Stellenweise wirkt die Inszenierung von Rüdiger Hentzschel mit ihren vorhersehbaren Gags wie der uninspirierte Abklatsch einer US-Sitcom, aber das schmälert nicht ihren Unterhaltungswert. Zumal das Ende eine wirkliche Überraschung ist. Vollkommen zu Recht spendet das Publikum viel Applaus.