Straubenhardt
Straubenhardt -  07.10.2021
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Schulstunde unter Rotorenblättern: Gymnasiasten erkunden Windkraftanlagen bei Straubenhardt

Obwohl der Wind kräftig durch das Waldstück bläst, steht der Rotor des Windrads mit der Nummer zehn still. Der Grund: Die Monteure sind gerade mit der Wartung beschäftigt. Oben ist eine Klappe geöffnet, außen wird über eine Seilwinde ein orangener Behälter hochgezogen, ganz langsam. Mehrmals prallt er gegen den Mast und sorgt für ein dumpfes, metallenes Geräusch. Zusammen mit einer Gruppe Jugendlicher steht Helmut Andrä auf dem großen Schotterplatz vor dem Windrad.

Die Jugendlichen sind Neuntklässler des Remchinger Gymnasiums, Andrä hat früher beim Regionalverband Nordschwarzwald gearbeitet und war dort für Umwelt und Grünzüge zuständig. Inzwischen ist er Rentner und zeigt Schülern im Auftrag seines ehemaligen Arbeitgebers die Windkraftanlage im Straubenhardter Wald. Unterm Strich, sagt er, nach Abwägung aller Vor- und Nachteile, halte er Windkraft für einen sinnvollen und notwendigen Beitrag zur aktuellen und künftigen Energieversorgung. Es handle sich um eine von mehreren erneuerbaren Energieformen, die alle zusammenspielen müssten. „Nur dann kriegen wir die Energiewende hin.“

Andrä will die Schüler nicht beeinflussen, sondern ihnen Gelegenheit geben, sich vor Ort ihr eigenes Bild zu machen. Die Gruppe vom Remchinger Gymnasium hat Glück: Weil das Windrad mit der Nummer zehn gewartet wird, hat sie die Möglichkeit, einen Blick ins Innere des Masts zu werfen. Dort sehen die Jugendlichen unter anderem 18 schwarz ummantelte Stahlseile, die den Turm stabilisieren. Und sie entdecken einen Fahrstuhl, der korrekt „Befahranlage“ genannt wird und sich nur sehr langsam bewegt: Zehn bis zwölf Minuten braucht er, bis er oben ist. Dorthin führt auch eine Leiter mit unzähligen Sprossen. Wenn man an ihr hochschaut, hat man den Eindruck, sie würde nie enden. Von oben kommen dicke, graue Kabel herunter und laufen in einen großen Kasten, der einen gleichmäßigen Stromfluss herstellt. Fotos sind im Inneren des Masts nicht erlaubt: Der anwesende Monteur will das nicht. Reden will er aber schon. Ausführlich berichtet er den Schülern von seiner täglichen Arbeit.

Vor dem Mast klärt Andrä über die Ausmaße der Straubenhardter Windkraftanlage auf: Insgesamt elf Windräder stehen im Wald, jedes rund 200 Meter hoch. Der Rotordurchmesser beträgt 113 Meter, das Gewicht knapp 3000 Tonnen. „Das kann man nicht mal unter den Arm nehmen und wegtragen.“ Im März 2018 ist die Anlage fertig gewesen – nach nur acht Monaten Bauzeit. Die Planungs- und Genehmigungsphase hat deutlich länger gedauert. Investiert wurden rund 55 Millionen Euro.

Umstritten war der Windpark von Anfang an. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ein Umstand, den Andrä den Schülern nicht verschweigt. Er fragt sie, welche möglichen Kritikpunkte ihnen einfallen. Infraschall und eine Verschandelung der Landschaft werden ebenso genannt wie die Abholzung von Bäumen. Tatsächlich mussten in Straubenhardt für elf Windräder rund elf Hektar Wald weichen. Laut Andrä entspricht das aber nur einem Anteil von 0,65 Prozent, wenn man von einer Gesamtwaldfläche von 1690 Hektar ausgeht. Für ihn ist es an diesem Tag bereits die zweite Klasse, der er den Windpark zeigt. Am Ende wird er an vier Terminen sieben Klassen mit zusammen mehr als 150 Schülern durch die Anlage geführt haben.

Autor: Nico Roller