Bad Wildbad
Bad Wildbad -  05.10.2018
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Anziehende Gegensätze: Marcel und Ewa Baluta haben über die Musik zueinandergefunden

Bad Wildbad. In Bad Wildbad ist er ein vertrautes Anblick, der bärtige Herr im meist schwarzen Mantel mit den dunklen Haaren und den freundlich und aufmerksam blickenden Augen. Man kennt ihn, er gehört dazu, wird respekt- und liebevoll gegrüßt.

Am vergangenen Samstagmorgen aber ist Marcel Baluta nicht auf einem Gang durch das Städtchen in Richtung Konzertraum König-Karls-Bad, sondern steht auf der Straße und wartet auf seinen Besuch, der die steile Uhlandstraße in Bad Wildbad nicht ohne Anstrengung erklimmt. Baluta ist besser trainiert, im Schwarzwald-Kurort sind die Wege kurz, das Auto bleibt meist in der Garage. Und auch die Kunst erfordert Kondition. Wer Musiker ist, muss ein Zwei-Stunden-Konzert körperlich durchstehen – Schwerstarbeit. Seit 36 Jahren lebt und arbeitet Marcel Baluta schon in Bad Wildbad, seit 18 Jahren wohnt er mit Ehefrau Ewa hier, wo der Blick vom Wohnzimmerfenster schnurgerade auf die Sommerbergbahn fällt. „Es ist schön hier, wir fühlen uns so wohl,“ sagen beide wie aus einem Mund.

Sport und Ruhe

Übereinstimmung ist ein Stichwort für diese Ehe. Auch wenn es temperamentmäßig eher unterschiedlich zugeht. Er der Ruhige, Gelassene – sie die Lebhafte, ein blondes Temperamentsbündel, immer in Bewegung. „Er ist ein bisschen gemütlicher“, bescheinigt sie dem Ehemann, dass er gerne die Mußestunden im schönen Zuhause mit Musik verbringt. Das liebt sie zwar ebenso, aber es darf auch ein wenig sportlicher sein. „Ich brauche Bewegung“, sagt sie. Da geht man eben mal getrennte Wege. Kein Problem für die Balutas – „nach der täglichen engen Zusammenarbeit tut das ganz gut“.

Es war im Jahr 1982, als der gebürtige Rumäne seine Stellung als Kapellmeister und Dirigent beim Kurorchester in Bad Wildbad antrat – ein in der Bäderlandschaft international beliebter Ort und meist bis auf den letzten Bettenplatz belegt. Mit einem Zwölf-Personen-Orchester gab der junge Baluta im Kurort den musikalischen Ton vor: „Die Menschen waren begeistert, die Trinkhalle war ständig voll.“ Ewa, die schöne Cellistin aus Polen, wurde für 1984 von ihm engagiert, musste aber schon früher für eine erkrankte Kollegin einspringen. Begeistert waren beide nicht unbedingt voneinander. „Zuerst haben wir uns überhaupt nicht gemocht“, amüsiert sich Ewa Baluta noch heute über die verschlungenen Wege der Liebe, die sich mit der Fremdsprache Deutsch auch sprachlich einen gemeinsamen Nenner erobern musste.

Finanzielle Herausforderung

Eine schöne Zeit sei das gewesen, so verliebt, immer von Melodien begleitet, ein bisschen Star im Kurort – und dann das auf 14 Personen aufgestockte Orchester, das sich auch an Symphonien wagen konnte. Doch bei der Kultur ist auf nichts so recht Verlass, da wird immer dann zuerst gespart, wenn es woanders knapp ist. Auch Marcel Baluta – inzwischen hatte das Ehepaar deutsche Pässe – spürte den Niedergang der Kurorte nach der Gesundheitsreform und die damit verbundene kommunale Finanznot. Immer mehr Stellen wurden beim Orchester, das 1998 privatisiert und auf der Basis eines Werkvertrags an das Land und später an die Stadt gebunden wurde („das war eine große Herausforderung und ein finanzielles Risiko für uns beide“), eingespart: „Heute sind wir ein Quartett.“

Vorbei ist es mit den Symphonien, auch wenn manchmal „Beethovens Neunte“ auf einem von den Zuhörern angereichten Wunschzettel steht – das funktioniert nicht mit drei Streichern und einer Pianistin. Und dass man nicht mehr im Kurpark-Pavillon spielt, hat den einfachen Grund: „Gegen die Enz kommen wir nicht an“. In das König-Karls-Bad wird fast täglich zum Konzert geladen – „ein schöner Raum, sehr geeignet“, findet der Orchesterchef – und die Zuhörer sind begeistert. Mozart steht ganz oben auf der Wunschliste, und das klassische Abendlied zum Abschied ist Tradition. Nicht selten wird dann verstohlen ein Taschentuch gezückt.

Das kleine Kurorchester hat sich einen hervorragenden Ruf erspielt, Marcel und Ewa Baluta, die auch Gesang studiert hat, lassen keine Abstriche an ihrem Qualitätsanspruch zu. Mindestens drei Stunden wird täglich geprobt – zwei Zimmer in der Wohnung sind als Probenräume und als Büro reserviert. Und auch die Freizeit sei, bestätigt Baluta, oft mit Musik verbunden. Eigentlich geht es gar nicht ohne – fast immer zieht ein leiser Klang von Klassik durch die Räume. Musik war und ist das Wichtigste in dieser Verbindung. „Er hat mich von Anfang an mit seinem Spiel fasziniert“, wirft Ewa Baluta noch einmal den Blick zurück. „Wenn seine Geige erklang, wer hätte da nicht den Kopf verloren?“ Der Zaubergeiger antwortet auf seine eher zurückhaltende Art: „Das habe ich gemerkt.“

Die Wildbader Zeit hat das Paar geprägt. Hier hat man Freunde gewonnen, liebt den Kurort und seine Umgebung. Die Aufgabe, den Menschen das zu geben, was Marcel Baluta „Wellness für die Seele“ nennt. Man schätzt die Kirschtorte, liebt auch Maultaschen und einen guten Wein, die Wohnung mit dem Blick auf den Wildbader Hausberg, die Nähe zu Pforzheim mit seinen kulturellen Angeboten. Nur wenn jemand so recht mit tiefstem schwäbischem Dialekt daherkommt, dann „müssen wir aufpassen, dass wir was verstehen“.

Autor: Gabriele Meyer