Bad Wildbad
Bad Wildbad -  20.10.2020
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Calmbacher Cannabis-Fall: Aus Haft wird Bewährung

„Danke, danke!“, rief der Angeklagte aus, nachdem Manuela Haußmann als Vorsitzende der Strafkammer am Landgericht Tübingen das Urteil verkündet hatte. Dann musste der schwer lungenkranke Autolackierer husten. Er und sein Anwalt Andreas Bittighofer hatten ihr Ziel erreicht: ihm die Haft zu ersparen. Zwei Jahre auf Bewährung lautete das Ergebnis des zweiten Prozesses, den der Karlsruher Bundesgerichtshof auf seinen Revisions-Antrag hin angeordnet hatte (die PZ hat berichtet). Fünf Fälle von Rauschgifthandel wurden zu einem zusammengefasst, zweieinhalb Haftjahre ohne Bewährung auf zwei mit Bewährung verkürzt, wie die obersten Richter vom BGH dezent nahegelegt hatten.

„Es ging nur noch um das Strafmaß, der Rest des ersten Urteils war rechtskräftig. Staatsanwältin Julia Merkle hatte in ihrem Plädoyer zwei Jahre und vier Monate Haft für tat- und schuldangemessen erachtet, die der 48-jährige dann hätte antreten müssen. „Das war knapp, sehr knapp“, begann die Vorsitzende ihre Urteilsbegründung. Angesichts der Menge von 20 Kilo Marihuana aus der Plantage auf einem einsamen Schwarzwaldhof, die der Calmbacher im April 2019 einem verdeckten Ermittler gegen 100.000 Euro auf einem Parkplatz nahe dem Kniebis hatte verticken wollen, wäre ihr die Bewertung als ein minderschwerer Fall bis dahin undenkbar erschienen. „Aber sag niemals nie“, zitierte die Vizepräsidentin des Landgerichts James Bond.

Dass eventuell die grenzwertigen Ermittlungsmethoden des Landeskriminalamts auch bei der BGH-Entscheidung eine Rolle gespielt haben könnten, dementierte sie. Zwar sei die Haupttat „initiiert“, worden, „nicht aber provoziert“ - und wegen des „legitimen Interesses an den Hintermännern“ nicht rechtswidrig gewesen. Ein verdeckter Ermittler hatte sich als vermeintlicher Mitpatient in einem Heidelberger Lungensanatorium das Vertrauen des Angeklagten erschlichen und später mit seinem Jaguar den Großdealer gegeben.

Als entscheidend für seine Entscheidung „auf Messers Schneide“ habe das Gericht aber die vielen mildernden Umstände betrachtet, die zugunsten des Angeklagten gesprochen hätten und eine Bewährung „gerade noch vertretbar“ machten, sagte die Richterin. Man hätte den bis dahin und seither völlig unbescholtenen Autohändler mit einem Haftvollzug geschäftlich, familiär und sozial „aus allem rausgerissen“. Er stehe, so die Vorsitzende, vor einer Lungentransplantation und sei von Anfang an voll geständig und kooperativ gewesen.

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Autor: Martin Bernklau