Gewaltige Bühnenpräsenz: Kabarettistin Maria Vollmer stellt neues Programm vor
Bad Wildbad. Wenn Maria Vollmer zu Wort kommt, wird fast immer ein Konvolut bedeutsamer Fragen der Menschheitsgeschichte verhandelt – etwa die Verpackung in die Farbe Beige gegen Ablauf des menschlichen Verfallsdatums. Und wie Frau ihr ramponiertes, aber mühsam restauriertes Jugendimage ohne Kollabierung ihres Selbstbewusstseins übersteht, wenn in der Schubkraft der Jahre der vor sich hin runzelnde Mann und ein pubertierender Sohn eigene Frauenbilder entwickeln – in Richtung Pflegekraft aus Asien und Daniela Katzenberger.
Mit Witz und scharfer Zunge, singend und tanzend präsentierte Vollmer im Kurtheater ein rasantes Bühnenleben zwischen Beautyfarm und Bettpfanne in der Reihenhaussiedlung. Da war Dampf unterm Dach – selbst schuld, wer das verpasst hat.
Gegen die Erdanziehung
Kein Zweifel, das Leben als Frau wirft gravierende Fragen auf. Mit „Push up, Pillen & Prosecco“ – so das neueste Programm der Kölner Kabarettistin – können die nur ansatzweise gelöst werden. Auf jeden Fall beginnt offensichtlich gegen Fünfzig eine haarsträubende Odyssee durch das Labyrinth des hormonabhängigen Selbstbewusstseins, das stets aufs Neue aus allen Richtungen torpediert wird. Das Duell gegen die Jahre, wenn die Körperformen der Erdanziehung durch Yoga und Miederhöschen zu trotzen suchen, wird bei Vollmer betörend boshaft und unwiderstehlich witzig.
Und wer glaubt, das geht nur Frau etwas an, der irrt. Welchen Effekt die Nach-Eisprung-Phase mit Homonstrudel auch auf Männer hat, war im Kurtheater deutlich zu hören. Da klopften sich die Herren mit verstehendem Lachen auf die Schenkel und fühlten sich offenbar wohl in Vollmers Frauenwelt, die sich auch die Fahndung nach den feinen Rissen in der Männerseele auf die Fahnen geschrieben hatte. Vollmer machte es ihnen leicht – sie nimmt sich selbst nicht ernst. Listet mit Charme und bissiger Leichtigkeit auf, was eigentlich verstört. Räumt nicht auf mit Klischees, aber belegt sie auf eine Art, bei der selbst der Altherrenwitz nicht vor der Tür bleibt. Das funktioniert. Müdigkeit oder Langeweile kommen nicht auf, die Frau war zehn Jahre lang Tänzerin - ausgebildet an der berühmten Musicalschule in Hamburg und der Rotterdamse Dansacademie. Da geht der Witz sozusagen durch das Stahlfeuer eines harten Körpertrainings – und es ist mitreißend anzusehen. Kaum zu glauben, dass die Beige-Jahre schon warten, während die Erinnerungen an die Schlüpfer, die zu Howard Carpendale auf die Bühne flogen, noch so wach sind - Rock‘n Roll und Rheumadecke in friedlichem Nebeneinander.
Busenlos und bauchgepierct
Und dann der Blick auf die Gegenwart: Ehemann Rainer lebt den Freiheitsrang mit dem Kettensägeführerschein aus, während die Haare die Kopfhaut verlassen und glänzend schimmernde Signale intelligenten Lebens sichtbar werden. Der Sohn in angesagten Kniehängehosen mit Jung-Katzenberger, busenlos, bauchgepierct und String-Tanga blinkend an der Hand. Ade, Sehnsuchtsschwiegertochter vom Reiterhof! Da hilft nur noch Eierlikör.
Hinterhältig ist das, was die Pfarrerstochter, deren Eltern die Heiligen drei Könige an der Krippe auf ein zeitliches Minimum beschränkten, weil sie gegen Monarchie waren, mit ihrem Publikum macht: eine durchaus rasante Comedy-Show über ein tempoverringerndes Lebensgefühl mit ruhigen Nächten.
