Bad Wildbad
Bad Wildbad -  07.08.2022
Artikel teilen: Facebook Twitter Whatsapp

In Welt moralischer Kapitulation Gerechtigkeitssinn nicht verloren

Bad Wildbad. Es waren nicht nur bekannte Persönlichkeiten wie Berthold Beitz, auch viele unbekannt gebliebene Frauen und Männer gehören zu der kleinen Gruppe der „Gerechten unter den Völkern“, die ein hohes Risiko eingingen und im Dritten Reich ihr Leben aufs Spiel setzten, um Juden zu retten.

„In einer Welt totalen moralischen Zusammenbruchs gab es eine kleine Minderheit, die außergewöhnlichen Mut an den Tag legte, um menschliche Werte hochzuhalten. Dies waren die Gerechten unter den Völkern“, heißt es dazu bei Yad Vashem, einer Gedenk- und Forschungsstätte in Israel. Es gehört zu ihren Aufgaben, dieser Retter in Dankbarkeit zu gedenken. Eine Ausstellung in der Stadtkirche in Bad Wildbad gibt nun Auskunft über diese Arbeit und belegt den Einsatz von Deutschen, die mit dem Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet wurden.

Es ist keine große Ausstellung, die an den Wänden der Stadtkirche zu sehen ist. Und es sind berührende Zeugnisse einer Zeit, in der man für den Versuch, Verfolgten beizustehen, einen hohen Preis zahlen musste. Wurde man dabei gefasst, drohte nicht nur denjenigen selbst, die Juden schützten, sondern auch ihren gesamten Familien die Deportation in Todeslager. Juden zu helfen, beinhaltete ein Leben in ständiger Angst vor Denunziation, vor den Folgen für die Menschen, die man um sich hatte und liebte – es bedeutete, das normale Leben aufzugeben und sich eine geheime Existenz zu schaffen.

„Gleichgültige Zuschauer waren die Regel, Retter die Ausnahme. Die Tatsache, dass manche den Mut fanden, zu Rettern zu werden, ungeachtet wie schwierig und beängstigend es war, zeigt, dass durchaus ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit bestand und dass die Rettung von Juden nicht jenseits der Möglichkeiten gewöhnlicher Menschen im besetzten Europa lag“, weist Yad Vashem auf die Tatsache hin, „wie die Gerechten unter den Völkern uns lehren, dass jeder Mensch einen Unterschied machen kann.

Für Yad Vashem geht es nicht um die „Helfer“, sondern um die Retter. Also um jene Menschen, die die gesamte Verantwortung für das Überleben der Juden auf sich nahmen. Sie gaben nicht nur zu essen, steckten schnell etwas zu oder leiteten Juden an Menschen weiter, die ihnen helfen konnten, oder beherbergten Juden für eine Nacht, forderten sie aber auf, am Morgen weiterzuziehen. Der Titel „Gerechte unter den Völkern“ ist die höchste Auszeichnung, die Israel an Nicht-Juden vergeben kann. Bis heute haben mehr als 20.000 Frauen und Männer aus allen Teilen Europas diesen Ehrentitel erhalten. Unter den Geehrten sind 410 Deutsche.

Die Ausstellung in der Stadtkirche kann da nur einige unter ihnen ehren und ihre Schicksale und ihren Einsatz deutlich machen. Beispielsweise Berthold Beitz, einer der führenden Unternehmer im Nachkriegsdeutschland: Im August 1942 befreite er 250 jüdische Männer und Frauen aus einem Transportzug für das Vernichtungslager Belzec, indem er sie als „Facharbeiter“ einstufte. Oder Heinrich und Maria List, ein älteres Bauernehepaar aus Ernsbach in Hessen, das einen jungen jüdischen Mann bei sich aufnahm. List wurde verhaftet und kam im KZ um.

Die Ausstellung als Leihgabe von Yad Vashem wird noch bis 30. September in der Stadtkirche in Bad Wildbad gezeigt.

Autor: gm