Bad Wildbad
Bad Wildbad -  30.01.2022
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In zwei Stunden zerstört, in zehn Monaten wieder aufgebaut: Die Geschichte des Bad Wildbader Sägewerks

Bad Wildbad. Ein Großbrand hatte dort, wo heute an der Kernerstraße der Kurpark endet, am 18. Mai 1938 in knapp zwei Stunden das Windhof-Sägewerk in Schutt und Asche gelegt. Die Große Enz hatte es an dieser Stelle über 400 Jahre lang angetrieben.

Nachdem die Windhof-Sägemühle im Mai 1938 abgebrannt war, konnte als Ersatz kaum zehn Monate später die Lautenhof-Sägemühle (Foto) in Betrieb genommen werden.
Nachdem die Windhof-Sägemühle im Mai 1938 abgebrannt war, konnte als Ersatz kaum zehn Monate später die Lautenhof-Sägemühle (Foto) in Betrieb genommen werden. Foto: Digitalarchiv: Schabert

Kaum zehn Monate später berichtete der "Enztäler" in einer vierseitigen Sonderbeilage vom "Februar/März 1939" mit dem Titel, „Das neue Lautenhof-Sägewerk Treiber & Bossert, Wildbad“, über den Wiederaufbau an neuem Standort, wo es bis vor etwa 40 Jahren in Betrieb war.

In der Sonderbeilage heißt es:

"Das ausgebaggerte Material wurde durch eine sinnvoll angelegte Rollbahn-Anlage mittelst Diesel-Lokomotive zur Auffüllung der neu anzulegenden Hauptzufahrtstraße und als beiderseitiger Schutzdamm für den künstlich angelegten Oberkanal verwendet. Es war eine Lust, sich diesen Rangierbetrieb im Kleinen mal anzusehen."

Vier Wochen dauerten die Aushubarbeiten für Baugrube, Kanal und Rohplanie. Bei der Beseitigung von Felsen halfen Pioniere aus Neu-Ulm, die mit entsprechendem Gerät und Sprengstoff anrückten.

Handwerksbetriebe aus der ganzen Stadt konzentrieren sich auf Nebau

Hell und geräumig gestaltet sei das 41 Meter lange und 14 Meter breite Sägewerksgebäude, schreibt der Berichterstatter. "Man kann, wie der Säger zu sagen pflegt, mit den dicksten und längsten 'Dingern' umgehen, was im gesamten Arbeitsvorgang von Vorteil ist", stellt er weiter fest. Neben der Sägehalle befanden sich die "Sägenschleifkammer und der Gefolgschaftsraum".

Letzterer wird auch als Treffpunkt beschrieben, an dem sich "an Regentagen oder über den Winter gerne die von der Arbeit beurlaubten Männer ein Stelldichein" gaben. Offensichtlich konzentrierten sich die Handwerksbetriebe aus der ganzen Stadt und Umgebung auf das Neubau-Objekt.

Im Anzeigenteil der Beilage sind allein vier Zimmerbetriebe – Albert Proß, Louis Kuch, Robert Maier und Karl Schlüter – mit Annoncen vertreten. Baumeister Richard Schill aus Wildbad – dem laut redaktionellem Text auch die Bauleitung oblag – wirbt für Bauberatung und Bauplanung, während Wilhelm Schill sich als Hoch- und Tiefbauunternehmen ausweist. Karl Wendel bietet an: "Fachmännische Ausführung sämtlicher Flaschner- u. Installationsarbeiten".

Älteren Wildbadern sagen vielleicht noch Namen wie Glaserei Robert Vollmer, Schlosser Eugen Lipps, Malermeister Karl Batt oder Schreinerei Karl Günthner etwas. Als Bauschreinerei und Möbelwerkstätte hatte Hermann Brachhold Werbung geschaltet. Für Leitungsverlegungen war offensichtlich das – wie fast alle genannten Betriebe – inzwischen längst verschwundene "Elektro- und Rundfunkhaus Philippp" aus Wildbad zuständig. Für allerlei "Gas- und Elektrizitätsgeräte" warben die "Städt. Betriebswerke Wildbad".

Ein alter Säger erzählt

"Ein alter Sägmüller erzählt", ist ein Abschnitt der Beilage überschrieben, der so beginnt: "Christian Kallfass ist einer der ältesten, noch lebenden Sägmüller im Enztal und werkt seit 55 Jahren im Windhofsägewerk."

An die Treiber'sche Sägemühle – wie die Windhofsägemühle auch genannt wurde – knüpften sich für den noch im Einsatz befindlichen, vitalen 70-Jährigen viele Erinnerungen. Die an der Historie interessierten Wildbader Corinna und Peter Aschauer wissen, dass der Interviewte ein Großonkel der Frau war. Er erlebte noch die Zeit der Holzflößerei, in der sich gelegentlich Flößer und Säger nicht grün waren, wie er erzählte.

In wasserarmen Zeiten habe es oft geheißen: "Christian guck nach Wasser." Er habe dann zum Wehr gehen müssen, um nachzuschauen, ob nicht unbefugt oder, um einen Streich zu spielen, verärgerte Flößer die Wehrtafel hochgezogen hatten.

Denn oftmals ließ der Chef diese für ein angekündigtes Floß nicht hochziehen, was zu Retourkutschen durch die später schimpfend auf dem Wasser am Sägewerk Vorbeiziehenden geführt habe. In der Beilage berichtet Kallfass auch vom großen Wasserrad, das bis 1889 am Windhof die Kraft der Enz auf das Sägewerk übertrug.

Autor: Hans Schabert