Bad Wildbad
Bad Wildbad -  23.07.2019
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Rossinis „Tancredi“ mit tragischem Ausgang beim Belcanto-Festival

Bad Wildbad. Mit dem Tod des Helden endet Rossinis großartige Oper „Tancredi“ und besiegelt so dessen unglückliche Liebe zu Amenaide, der Tochter seines Widersachers Argirio, der das Mädchen lieber in eine politische Ehe mit dem verbündeten Anführer Orbazzano drängen möchte. Das Werk, das 1813 den Ruhm des Komponisten als Schöpfer (auch) ernster Stücke begründete, ist jetzt beim Festival „Rossini in Wildbad“ zu erleben.

Dabei ist das traurige Finale der Oper durchaus nicht Rossinis erste Wahl. Bei der wenig erfolgreichen Uraufführung in Venedig ließ er das verwickelte Geschehen um Liebe und Verrat, Feindschaft und Verwechslungen in ein Happy-End münden, das er aber gleich danach für eine zweite Aufführung in Ferrara in einen düsteren Schluss umwandelte. In Wildbad entschied man sich aus guten Gründen für die heroische Variante, deren beklemmender Ausgang dem Operntragiker Rossini ein glänzendes Zeugnis ausstellt.

Die Einstudierung in der Regie des Intendanten Jochen Schönleber entstand in Zusammenarbeit mit dem Verein Passionart in Krakau und kam als dreistündiges Gastspiel in den Schwarzwald. Der historische Hintergrund des Stücks geht allerdings in der improvisiert wirkenden Ausstattung unter. Die Regie konzentriert sich auf die Arrangements von Tableaus in den kompakten Massenszenen mit dem ungelenk agierenden Górecki Chamber Choir und auf die sängerdienliche szenische Umsetzung der Arien. In denen breitet nun Rossini ein üppiges Spektrum hinreißender musikalischer Einfälle und Stimmungen zwischen lyrischen Empfindungen, leidenschaftlicher Emphase und martialischem Feuer aus. Vokale Wechselbäder sind es auch, die Opern wie „Tancredi“ zu einem Fest für Freunde „geläufiger Gurgeln“ und virtuoser Akrobatik auf dem Hochseil stimmlicher Kunststücke machen. In Wildbad ist es vor allem die fabelhafte Diana Haller in der Hosenrolle des Tancredi, die diesen Anspruch einlöst. Von triumphierenden Höhen bis in furiose Tiefen beweist sie eine bemerkenswerte Beweglichkeit und farbige Klangkraft ihres fülligen Mezzos, und die Todesszene, in der sie das fahle Verlöschen ihres Lebens in Töne von ergreifender Innigkeit fasst, setzt der Aufführung einen nachhaltigen Schlussakzent.

Neben ihr kann die Sopranistin Elisa Balbo in der elegischen Rolle der Amenaide als verfolgte Unschuld nicht durchweg überzeugen. Zwar gelingen ihr mit delikaten Piani und sensiblen Linien schöne Momente einer raffinierten Gesangskultur, aber daneben verstört sie durch ein irritierend herbes Timbre und undeutliche Koloraturen. Vorzüglich setzt der Tenor Patrick Kabongo, der in dieser Wildbad-Saison vielfach beschäftigt ist, seine kultivierte, technisch ausgefeilte und stets nobel klingende Stimme als gramgebeugter Vater Argirio ein, während Ugo Guagliardo dem wütenden Orbazzano mit polterndem Bass eher grobe Kontur verleiht.

Das „Passionart Orchestra“ Krakau lässt in der ausgedünnten Besetzung (namentlich bei den Streichern) gelinde Mängel in Geläufigkeit und Präzision erkennen. Dennoch gelingt es dem in Wildbad wohlvertrauten Dirigenten Antonino Fogliani mit straffen Tempi und ausladenden melodischen Gesten dem Abend ein schwelgerisches Niveau und einen nachdrücklichen Publikumserfolg zu sichern.

Autor: Rainer Wolff