Bad Wildbad
Bad Wildbad -  09.03.2020
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Voller Kraft und Virtuosität: Pianist Johannes Gaechter in Bad Wildbad

Bad Wildbad. Der Pianist Johannes Gaechter ist in Bad Wildbad kein Unbekannter. Und dennoch gelang es ihm, bei seinem Konzert am Samstagabend dem Steinway-Flügel im Forum-König-Karls-Bad überraschend neue Töne zu entlocken.

Schnörkel- und ein wenig emotionslos begann der Abend mit einem anspruchsvollen Stück aus Bachs Klavierschaffen – der streng mit einem fast harten Anschlag gespielten Partita. Die Partiten, die Bach zwischen 1726 und 1739 komponierte, gelten als interpretatorisch herausfordernd, gerade weil zum Beispiel das kleine Menuet keine technische Raffinesse erfordert – dafür aber umso mehr Nuancen und Imagination. Gaechter spielte das Werk eher zurückhaltend, leicht verhaltend und introvertiert – ein deutlicher Kontrast zum zweiten Teil mit seinen dramatischen Sequenzen und emotionalen Aufbrüchen.

Mit Chopins Nocturne Op. 9 in B-Moll nahm das Konzert Fahrt auf. Die Suggestivkraft der Chopin‘schen Musiksprache mit ihrer romantisch-melodiösen Empfindsamkeit interpretierte Gaechter anmutig, mit perlender Leichtigkeit und ohne alles gefühlvoll Süßliche. Frisch und mit einem Spiel voller dynamischer Nuancen und Klangfarben ließ er Virtuosität und Gefühl verschmelzen, stellte seine Fähigkeit, emotionale Bögen zu schlagen, unter Beweis.

Mit Charles Valentin Alkans „Recueil de Chants“ widmete sich der Pianist einem Komponisten, dessen Werke erst seit einigen Jahren eine Renaissance erleben und bisher als bizarr gelten. Gaechter nahm damit eine Herausforderung an: Alkans Kompositionen lehren mit ihren Läufen und technischen Ansprüchen Pianisten das Fürchten. Scheinbar mühelos setzte der Pianist diese technische Perfektion um, schärfte mit Konzentration und Verve die Kontraste, ließ wilde Sprünge und plötzliche Zäsuren in ein virtuoses Gesamtbild fließen.

Den zweiten Teil des Konzertes bildete Rachmaninows Sonate No. 1, die ihre Leitidee aus Goethes Faust bezieht. Gaechter geht mit einer Interpretation an dieses etwas sperrige Werk, die die volle Wucht des Klangs und die sensible Empfindsamkeit zu einer magischen Gefühls- und Klangwelt verbindet. Hier ist der Pianist in seinem Element, technische Perfektion und melodische Linie, Fortissimo-Läufe und kurze Atempausen mit filigranen Strukturen rundeten sich zu einem konsequent und mitreißend gestaltetem Erlebnis. Der pianistische Parforce-Ritt durch die Dynamik des Werkes wurde gehalten von Gaechters Anschlagskultur und von seiner Hingabe an eine Gefühlswelt, die ebenso federleicht wie mit donnernden Akkorden daherkommt.

Autor: Gabriele Meyer