Calw -  09.11.2025
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In Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus: Stolpersteine jetzt auch in Calw

Calw. Lange Zeit hat die Erinnerungskultur für die aus Calw stammenden Opfer des Nationalsozialismus in der Geburtsstadt Hermann Hesses keinen besonders großen Stellenwert eingenommen. Mit der gestern erfolgten Verlegung von zwei Stolpersteinen hat sich das grundlegend geändert.

Mit Hilfe des Steinmetzes und Bildhauers Wolf-Stefan Reiser verlegte Stefan Creuzberger den Stolperstein für die in Auschwitz ermordete Rosa Creuzberger.
Mit Hilfe des Steinmetzes und Bildhauers Wolf-Stefan Reiser verlegte Stefan Creuzberger den Stolperstein für die in Auschwitz ermordete Rosa Creuzberger. Foto: recklies

Künftig wird die Erinnerung an den am 23. Juli 1940 von den Nationalsozialisten in Grafeneck ermordeten Hermann Schürle sowie an die 1943 verhaftete und dann nach Auschwitz deportierte und dort ermordete Rosa Creuzberger, geborene Hofmann, in Calw auf besondere Weise wach gehalten.

Creuzberger war 1889 als Kind jüdischer Eltern geboren und war im Zuge der Heirat mit Georg Creuzberger möglicherweise zum evangelischen Glauben konvertiert, was ihr nach dem Tod ihres Mannes infolge eines Autounfalls aber keinen Schutz mehr bot. Hermann Schürle wurde wegen einer geistigen Erkrankung ermordet.

Für den Calwer Oberbürgermeister Florian Kling ist die Verlegung der ersten Stolpersteine ein wichtiges Zeichen, um an zwei Schicksale zu erinnern „die untrennbar mit unserer Stadt verbunden sind“. Und die Biografien Hermann Schürles und Rosa Creuzbergers stehen für Kling „stellvertretend für das Leid, das Menschen hier in Calw durch das NS-Regime erfahren haben“. Mit den Stolpersteinen, so Kling, der an der Feierstunde nicht persönlich teilnehmen konnte, „holen wir ihre Namen und Geschichten zurück in unsere Mitte. Dorthin wo sie lebten, wirkten und schließlich entrechtet wurden.“ Als Stadt, so Kling, „begrüßen wir die Verlegung der Stolpersteine ausdrücklich. Sie sind ein starkes Zeichen dafür, dass Erinnerungskultur bei uns sichtbar, greifbar und lebendig bleibt.“ Ähnlich äußerte sich Jürgen Ott, der in Stellvertretung des OB im Forum am Schießberg sprach und der darauf verwies, dass hinter jedem NS-Opfer ein Mensch, dessen Geschichte und Leid steht. Dieses Andenken gelte es zu bewahren.

Vor allem dem vor knapp zwei Jahren gegründeten Bündnis „Calw bleibt bunt“ und dessen Stolpersteingruppe ist es zu verdanken, dass das 1903 geborene Euthanasieopfer Schürle und die 1889 in Hessen als Jüdin geborene Creuzberger und deren Geschichten künftig nicht in Vergessenheit geraten. Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern des Calwer Hermann-Hesse-Gymnasiums und der Realschule Calw hatte eine achtköpfige „Stolpersteingruppe“ die Biografien der beiden Opfer des NS-Regimes recherchiert und auch die Gedenkstunde samt Stolpersteinverlegung organisiert.

Der Zuspruch war dabei gestern so gewaltig, dass die vorbereiteten Plätze im Forum am Schießberg nicht im Ansatz ausreichten. Und auch bei der anschließenden Verlegung der Stolpersteine herrschte vor den jeweiligen Gebäuden gedrängte Enge. Der Zuspruch zeigte: Den Initiatoren ist es mit ihrem Einsatz gelungen, die Erinnerungskultur in Calw auf ein neues Level zu heben. Die würdige Gedenkfeier war dabei geprägt von eindringlichen Beiträgen zu den Biografien der beiden NS-Opfer.

Beate Ehnis beleuchtete das Leben Creuzbergers, Landesarchivar Christian Hofmann warf indes einen Blick auf das Leben Schürles. In beiden Fällen wurden infolge aufwendiger Recherchen auch viele neue Informationen öffentlich bekannt. Sehr berührend auch die musikalischen Beiträge und die Ausführungen von Angehörigen. Der Historiker Stefan Creuzberger brachte für sich und seine Familie Dank und Anerkennung für die Initiative zum Ausdruck und führte auch schonungslos vor Augen, dass nicht zuletzt innerfamiliär einiges zum Tod Rosa Creuzbergers in den Gaskammern von Auschwitz beigetragen worden war.

Beeindruckend auch die Einlassung Reinhold Schürles auf den Tod seines Onkels. Er berichtete auch von den Bemühungen der Mutter und der Geschwister Hermann Schürles, dessen Leben zu retten oder Genaueres über dessen Tod in Grafeneck zu erfahren. Zudem wandte er sich in einem fiktiven Brief an Hermann Schürle. Entsprechende ergreifende Beiträge waren von zahlreichen Schülerinnen gekommen.