Calw -  03.04.2020
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Land liefert nicht genug Corona-Schutzausrüstung - Kreis Calw bestellt selbst - Schweickert will Bedarfsdatei für Enzkreis

Landkreis Calw/Enzkreis. Um eine gute und sichere Versorgung von COVID-19-Erkrankten gewährleisten zu können, ist es unabdingbar, dass das medizinische sowie pflegerische Personal mit geeigneter Schutzausrüstung ausgestattet ist. Doch die Versorgung mit dieser Ausrüstung stellt angesichts der angespannten Marktlage eine Herkulesaufgabe für alle Beteiligten dar. Der Landkreis Calw will nicht warten und reagiert, der FDP-Landtagsabgeordnete Erik Schweickert will eine zentrale Schutzausrüstungsbedarf-Datei für den Enzkreis.

Wenn das Land wisse, dass pro Tag rund 750.000 Mundschutzmasken benötigt werden, sollte auch der Enzkreis seinen Tagesbedarf kennen, heißt es in einer Schweickert-Pressemitteilung. Daher sei eine Bedarfskartei für den Enzkreis wichtig.

Laut Angaben des Sozialministeriums mit Stand vom 3. April habe das Land Baden-Württemberg mittlerweile insgesamt fast 24 Millionen Artikel bestellt, darunter 19 Millionen Mundschutzmasken. 70 Prozent davon sollen letzten Endes an die Landkreise gehen. Der Enzkreis erhielt laut Ministerium bisher 16.004 Handschuhe, 18.278 Masken und 175 Anzüge. "Der Enzkreis ist bisher zum Glück kein Hotspot der Covid-19-Ausbreitung geworden", so Schweickert, Vorsitzender der FDP-Kreistagsfraktion.

Das sieht im Kreis Calw ein bisschen anders aus, vor allem in Nagold. Aus der kleinen Stadt kommen über 100 Infizierte und dort gab es bereits den vierten Todesfall zu vermelden. Hier scheint die Not besonders groß zu sein, hier ist Schutzkleidung offenbar besonders notwenig. „Die Verteilung von Schutzausrüstung an die Stadt- und Landkreise wird über einen vom Sozialministerium Baden-Württemberg festgelegten Schlüssel geregelt. Nur leider lassen Lieferungen in einem ausreichenden Umfang auf sich warten. Daher sind die Kreise gezwungen, selbst aktiv zu werden“, erläutert Landrat Helmut Riegger. Konkret sei im Landkreis Calw bisher erst eine Lieferung des Landes mit wenigen Tausend Schutzmasken und einigen Hundert Handschuhen eingetroffen, die den bestehenden Bedarf aber bei weitem nicht deckt.

Land liefert nicht genug Landkreis kauft selbstständig

Um die weitere Versorgung im Landkreis sicherzustellen, hat die Calwer Kreisverwaltung mit Unterstützung der lokalen Unternehmerschaft vor etwa drei Wochen damit begonnen, eigenständig Schutzausrüstung zu bestellen und zu beschaffen. Erste Lieferungen sind bereits eingetroffen und werden durch die Landkreisverwaltung verteilt. Angesichts des großen Bedarfs ist bei der Verteilung eine Priorisierung zwingend erforderlich.

 „Wir können nur das verteilen, was wir haben. Der Fokus der Verteilung liegt daher zunächst dort, wo der Bedarf am drängendsten ist, weil COVID-19-Erkrankte versorgt werden müssen – das sind die Kliniken, Arztpraxen und die betroffenen Alten- und Pflegeheime sowie ambulante Pflegedienste“, wirbt Kreischef Riegger um Verständnis.

Bestellungen für 1,3 Millionen Euro noch nicht genug

Zum jetzigen Zeitpunkt hat der Landkreis Calw Bestellungen mit einem Volumen von circa 1,3 Millionen Euro in Auftrag gegeben. Dennoch kann hierdurch nicht der gesamte Bedarf an Schutzausrüstung gedeckt werden. Vorbehaltlich weiterer Lieferungen und Beschaffungen durch das Land und möglicher Lieferketten kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Bestellungen erforderlich werden. „Die Lieferung dauert ihre Zeit, aber sobald die Schutzausrüstung eintrifft, erfolgt ihre Verteilung gemäß der bereits ermittelten Priorisierung umgehend“, betont Landrat Riegger.

Um solch eine Verteilung auch im Enzkreis sinnvoll und gerecht zu machen, Schweickert schlägt die Erstellung einer zentralen Kreis-Datei zur Erfassung des Bedarfs von Schutzausrüstung vor. Dort sollten alle Stellen erfasst werden, die solche Ausrüstung benötigen und die Möglichkeit gegeben werden, entsprechende Bedarfe an Schutzkleidung und Desinfektionsmittel schnell anzuzeigen. „So könnte man den Gesamtbedarf schnell erfassen und gegebenenfalls auch Prioritäten setzen“, hofft Schweickert. Er sei von mehreren Altenpflegeheimen angesprochen worden, in denen es derzeit praktisch keine Schutzausrüstung mehr gebe. So etwas gelte es jedoch, trotz der jetzigen Mangelwirtschaft so gut es gehe, zu vermeiden.

Selbsthilfe ist gefragt

Ausdrücklich hebt Schweickert jedoch auch hervor, dass der Krisenstab des Landratsamts das grundsätzliche Problem des Mangels an Schutzkleidung schon im Rahmen seiner Möglichkeiten proaktiv angegangen ist und sich nicht nur auf die Bestellungen und Lieferungen des Landes verlassen habe. Der Enzkreis hatte mit den Kreisen Neckar-Odenwald und Freudenstadt gemeinsam eine Bestellung aufgegeben, da eine Firma aus Buchen direkte Kontakte zu einem chinesischen Hersteller unterhält. „Die Masken bleiben vorerst als Notreserve im Landratsamt“, sagt Kreisbrandmeister Carsten Sorg, der beim Enzkreis für den Bevölkerungsschutz und damit auch für die Materialbeschaffung zuständig ist. Rund 20.000 Schutzmasken sind diese Woche beim Enzkreis angekommen.

Kuriosum am Rande: Im Polizeipräsidium Ludwigsburg hat ein findiger Beamter die Spuckschutzscheiben für alle Kollegen aus dem 3D-Drucker gezaubert, weil es einen Lieferengpass gab, die Polizisten aber nicht ständig Viren einatmen wollen, wenn sie böse Buben beruhigen müssen.

Im Landkreis Calw residierende Gesundheitseinrichtungen mit dringendem Bedarf an Schutzausrüstung können sich per E-Mail an 5.info@kreis-calw.de wenden.

Autor: pm