Kräfte sammeln für letzte Reise: Todkranker Dobler will bald mit dem Wohnmobil losfahren
Dobel. Es ist grau und trüb an diesem Freitagvormittag in Dobel. André Müller sitzt auf der Terrasse seiner Wohnung im Untergeschoss eines Mehrfamilienhauses. Auf der angrenzenden Koppel steht Nachbarpferd Sissy. „Manchmal ist sie hier das einzige Lebewesen, das ich den ganzen Tag über sehe“, sagt Müller. Der 58-jährige Dobler hat Krebs im Endstadium. Und hat für sich beschlossen, dass sein Leben nicht hier zu Ende gehen soll. Und schon gar nicht in einem Pflegeheim. André Müller will eine letzte große Reise mit dem Wohnmobil machen.

Krankenhausaufenthalt kommt dazwischen
Im Mai sollte es mit dem „Roadtrip to Paradise“, wie er das Projekt nennt, eigentlich schon losgehen. Doch dann machte ihm seine Gesundheit mal wieder einen Strich durch die Rechnung. Er wurde ins Krankenhaus in Langensteinbach eingeliefert, anschließend folgte eine Reha in Bad Wildbad.
„16 Wochen war ich jetzt weg“, sagt Müller.
Seit einer Woche ist er nun wieder in seiner Wohnung. Dort ist er mittlerweile nicht mehr alleine. Da er im Mai ja eigentlich aufbrechen wollte, hat er seine Räume an einen 27-Jährigen untervermietet. Jetzt leben die beiden gezwungenermaßen in einer Wohngemeinschaft. „Unsere WG ist etwas ungewöhnlich, schon alleine aufgrund des Altersunterschiedes“, sagt Müller. Chaotisch sei es auch etwas. „Aber wir kommen klar, und es soll ja nicht für lange sein.“
Denn Müller kämpft sich gerade wieder zurück ins Leben. In der kommenden Woche will er mit dem Wohnmobil eine Testreise machen. Ans Steinhuder Meer in Niedersachsen, zu seinem jüngsten Sohn.
„Der hat Geburtstag, und dort will ich dann ein paar Tage bleiben“, sagt er.
Dann will er noch eine kleinere Runde machen, vielleicht in Richtung Lüneburg, „um zu testen, wie weit ich komme und wie gut es klappt“.
Testfahrt in den Norden
Im Wohnmobil, das an der Straße geparkt ist und auf ihn wartet, komme er gut klar. „Da ist es ja eng drin und ich kann mich überall festhalten“, meint er. Nur für das ganze „Drumrum“ wie Einkaufen oder Beladen müsse er noch etwas Kraft sammeln. Wenn die Testfahrt in den Norden klappt, will Müller auch gleich sein Großprojekt in Angriff nehmen:
„Ich könnte mir vorstellen, Mitte oder Ende September mit dem Wohnmobil in Richtung Süden aufzubrechen“, meint er.
Großes Ziel ist für ihn zunächst Sizilien. „Dort habe ich Freunde, die mich erwarten“, erzählt er. Wie weit er dann kommt, oder ob er einfach dort bleibt, weiß er noch nicht.
Wenn Müller redet, muss er immer wieder einen Schluck trinken. Ein Tumor im Hals verursacht ihm Schmerzen. „In der Reha war das besonders schlimm“, berichtet er. Eigentlich stünden auch wieder Untersuchungen an, um zu schauen, ob und wie der Tumor sich verändert hat. „Ich überlege mir aber gerade, ob ich das überhaupt wissen will“, sagt er. Lieber will er nach vorne schauen.
Rollator und Mitbewohner als Unterstützung
In der Zeit der Reha war das nicht immer ganz leicht. „Dort konnte man mir nicht wirklich helfen“, meint er. Die Therapien seien so angelegt gewesen, dass Rollstuhlfahrer angeleitet wurden, vorwärts zu kommen, und dabei vor allem der Oberkörper gestärkt wurde. „Ich wollte ja aber gerade wieder raus aus dem Rollstuhl“, meint er. In seiner Wohnung bewegt er sich jetzt daher langsam vorwärts, mit Hilfe des Rollators. Sein Mitbewohner will ihm nun bei den Vorbereitungen helfen: Wohnmobil sauber machen, tanken, beladen. „Manches ist noch drin, manches muss ich wieder neu packen“, sagt der Dobler.
Seit den Berichten in der PZ über Müller und seine letzte Reise wird er immer wieder auf seine Situation angesprochen. In seiner Facebook-Gruppe kamen zahlreiche Mitglieder hinzu, darunter auch Ärzte und Pfleger aus der Klinik in Langensteinbach. Viele Menschen haben auch für sein Projekt gespendet.
„Ich bin wirklich überwältigt von den Reaktionen“, beschreibt er – auch wenn es auch einige negative Stimmen gegeben habe.
Viele fiebern bei seinen Reiseplänen mit, glauben an ihn und geben ihm dadurch Kraft. „Ich mache diese Reise längst nicht mehr nur für mich“, sagt er. Nur die finanzielle Seite bereite ihm etwas Sorgen. „Ich musste jetzt fünf Monate lang die Miete für das Wohnmobil bezahlen, obwohl ich nicht fahren konnte“, erklärt er. „Ich bin ja immer davon ausgegangen, dass ich bald wieder aus dem Krankenhaus komme und los kann.“
Wenn Müller von seinen Plänen spricht, wirkt er ruhig und besonnen. Nur beim Blick nach draußen wird er an diesem Tag etwas wehmütig: „Es ist alles so grau. Der Sommer könnte vorbei sein, ohne dass ich einmal an einem Grill gesessen habe.“ In dieser tristen Einsamkeit will er seinen Lebensabend nicht verbringen, da ist er sich auf jeden Fall sicher. „Ich weiß ja nicht, was der Krebs und mein Herz machen, wie viel Zeit mir noch bleibt. Hier ist niemand. Wenn ich hierbleibe, sitze ich in meiner Wohnung und schaue aufs Pferd. Und damit kann ich mich nicht anfreunden.“
Wer André Müller bei seiner letzten Reise begleiten möchte, findet seinen Blog auf Facebook unter „Road Trip to Paradise“. Eine finanzielle Unterstützung ist unter folgendem Link möglich: www.betterplace.me/road-trip-to-paradise.