Karlsbad -  18.09.2017
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Engelsbrand findet Freunde nach den Schatten des Krieges

Engelsbrand/Fivizzano/Marzabotto. Engelsbrand zählt zu denjenigen Gemeinden im Enzkreis, die bislang keine Partnerschaften zu anderen europäischen Kommunen pflegen. Das könnte sich jetzt ändern. Und das ausgerechnet nach dem Aufschrei, den 2016 eine Ehrung der Gemeinde für einen Bürger in Italien auslöste, den die dortige Militärjustiz schon Jahre zuvor wegen der Beteiligung an Morden von Truppen der deutschen Waffen-SS im Spätsommer und Herbst 1944 verurteilt hatte.

Der Bürger hatte diese Beteiligung immer abgestritten, die Ehrung selbst zurückgegeben. Die deutsche Justiz schloss vor etwas über einem Jahr endgültig ihre Akten zu seinem Fall.

Da hatte die Gemeinde Engelsbrand längst eine diplomatische Mission gestartet. Bürgermeister Bastian Rosenau hatte nach Italien geschrieben, um klarzustellen, dass die Vorwürfe gegen den Bürger der Gemeinde öffentlich hier nicht bekannt gewesen seien. Er empfing im Nordschwarzwald unter anderem Paolo Grassi, den Bürgermeister der toskanischen Gemeinde Fivizzano, in der im August 1944 über 400 Menschen ermordet worden waren – darunter viele Frauen und Kinder. Und mit Gemeinderäten reiste er zum gemeinsamen Gedenken nach Norditalien. Nun waren 19 Engelsbrander erneut in Fivizzano – und dieses Mal auch in der ebenfalls 1944 von einem Massaker betroffenen Kommune Marzabotto. Und der Charakter dieses Besuchs war betont freundschaftlich.

Rosenau ist optimistisch, dass die Kontakte nach Norditalien dauerhaft werden. So haben dieses mal auch Vereinsvertreter etwa vom Engelsbrander Tennisclub, vom Sängerkranz Salmbach oder dem Fußballclub Engelsbrand die Reise angetreten und erste Kontakte zu italienischen Partnern geknüpft. Die Fußballer hätten sich gleich über WhatsApp vernetzt und wollten Ideen etwa für ein gemeinsames Turnier zunächst in den Clubs weiter diskutieren. Ähnlich hielten das die Sänger, unter denen auch Engelsbrands früherer Bürgermeister Frank Kreeb ist.

Es ist vor allem Fivizzano, wo schon jetzt eine mögliche gemeinsame Zukunft ähnliches Gewicht habe wie die Erinnerung an die Vergangenheit. In Marzabotto stand dieses Gedenken noch im Vordergrund. „Und es bleibt für alle beeindruckend, die Geschehnisse von 1944 von Menschen erzählt zu bekommen, die damals Angehörige verloren haben“, sagt Rosenau.

Einer dieser Menschen ist Roberto Oligeri aus Fivizzano. Doch gerade er forciert ebenfalls die neuen freundschaftlichen Kontakte, plant einen privaten Besuch mit seiner Familie in Engelsbrand.

Und Oligeri war neben Bürgermeister Grassi auch dabei, als Fivizzano den deutschen Besuchern eine echte Überraschung präsentierten. In Engelsbrands Gemeinderat waren Pläne für ein Denkmal der beiden Kommunen bereits vorgestellt worden. Nun führten die Italiener ihre Gäste bereits zum vollendeten Werk. Es stellt eine stilisierte Friedenstaube dar – aus weißem Marmor. Und am Fuß des Kunstwerks sind sie schon partnerschaftlich nebeneinander eingraviert: die „Comune di Engelsbrand“ und die „Comune di Fivizzano“.

Autor: Alexander Heilemann