Oberderdingen
Oberderdingen -  08.11.2017
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Ton-Kunst mit Risikofreude - Keramiker Herbert Wenzel aus Oberderdingen

Oberderdingen. Es ist schon einige Jahre her, da beschloss Herbert Wenzel: „Ich lass’ jetzt raus, was in mir schlummert.“ Die Sehnsucht nämlich, das Material Ton auf seine künstlerischen Eigenschaften auszuloten. Es war eine Entdeckungsreise in die eigene Kreativität, denn Wenzel verbannte seine Gebrauchskeramik in die zweite Reihe.

Was jetzt unter seinen Händen entsteht, hat weniger Gebrauchs- als optischen und haptischen Wert. Der Keramiker ließ in seinem Atelier, einer umgebauten Scheune in Oberderdingen, versteckt hinter seinem Fachwerkhaus in einer kleinen Gasse gelegen, neue skulpturale Formen entstehen. Jetzt hat Wenzel wiederum eine neue Freiheit entdeckt, die sich auch in der künstlerischen Ausformung seiner Arbeiten niederschlägt.

Weltenbummler im Rentenalter

„Eigentlich im Rentenalter“ ist er zum Weltenbummler geworden. Mit dem 25-Kilogramm-Rucksack auf dem Rücken – „das ist schon manchmal heftig“ – hat er gerade Feuerland erwandert. Sein Fazit: „Das ist einfach etwas ganz Besonderes“. Und noch etwas hat er von seinen Reisen mitgebracht: „Die Erkenntnis, mit wie wenig man auskommt.“

Während zunächst seine an der Drehscheibe entstandenen Arbeiten einen skulpturalen Charakter erhielten, sind seine neuen dickwandig gebauten Objekte jedem reinen Gebrauchswert enthoben. Kraftvolle kantige Formen, klar konturiert, bestimmen die Ausdruckssprache der Objekte, für die der Keramiker die Töpferscheibe nicht mehr einsetzt. „Damit habe ich begonnen, als ich von Island zurückkam“, erzählt Wenzel, der besonderen Wert auf die haptische Funktion seiner Arbeiten legt. Es sind aufwendige Stücke, Wenzel experimentiert gerne, kombiniert Glasuren und Material – auch schon mal Steinzeug mit Porzellan. „Geht nicht, gibt’s nicht“, ist sein Credo. „Es geht viel mehr, als man glaubt“. Dabei riskiert er dann auch schon mal einen Totalschaden. Was ihn nicht stört: „Es ist einfach spannend, zu sehen, was bei diesen experimentellen Dingen herauskommt.“

Seine Arbeiten sind größer geworden, haben an Volumen gewonnen, sind auch für den Außenbereich gedacht. „Es gibt so schöne Gärten, da bin ich gerne mit dabei“, weist er auf die Wirkung seiner Unikate hin, die sich mit ihrem nuancenreichen Glasuren-Farbenspiel und schnörkellosen Formen fast wie natürliche Fundstücke in das Grün von Gärten einfügen und sich durch besondere Brennwerte als frost- und wetterfest erweisen. Einziger Wermutstropfen in einer Zeit, die Wenzel mit „ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben“ beschreibt: „Es gibt keinen Markt für diese Arbeiten – aber das ist jetzt mein Ding“. Der Gebrauchskeramik, für die es einen treuen Kundenstamm gibt, hat Wenzel nicht abgeschworen. „Sie ist mir immer noch sehr wichtig, aber sie steht nicht mehr an erster Stelle“. Doch auch hier ist eine Wandlung zu erkennen: Die runden bauchigen Formen sind einer klareren Linie gewichen – mehr Designstücke als Töpferware. Daneben kommen trotzdem hin und wieder auch noch die Dachreiter zum Zuge – „am liebsten ist es mir, wenn ich die Figuren individuell auf die Bewohner des Hauses abstimmen kann“.

Autor: Gabriele Meyer