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Höfen -  16.12.2018
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Aus dem Schwarzwald in die Studentenrevolte

„Beerensommer“, „Stachelbeerjahre“, „Sturmfrühling“ – es ist immer ein Stück authentische Heimat Schwarzwald, die sich mit aktueller Zeitgeschichte und persönlichem Schicksal verbindet: Die Bücher von Inge Barth-Grözinger lassen dramatischen Zeitabschnitten deutscher Geschichte nachspüren und sind dabei weit vom Aufzeigen reiner Historie entfernt.

Wie bewegend und spannend die in Bad Wildbad geborene Autorin Lebens- und Zeitläufte miteinander verquickt, zeigte sich am Mittwochabend wieder bei ihrer Lesung im Rathaus Höfen.

Mitgebracht hatte Inge Barth-Grözinger nicht ihr neuestes Werk „Wildblütenzeit“, sondern „Sturmfrühling“, ihr sechstes Buch. Wer „Stachelbeerzeit“ gelesen hat, kann es unschwer als Fortsetzung identifizieren, auch wenn es ein in sich abgeschlossener Roman ist. Im Mittelpunkt steht Marianne, im Dorf abfällig als „Franzosenkind“ und „Bankert“ verspottet und gemieden, sie lebt mit Mutter und Schwester Sieglinde im Haus der Großeltern in ärmlichen Verhältnissen in Grunbach. Das „seltsame“ Mädchen hat einen unstillbaren Bildungshunger, ertrotzt sich das Gymnasium und schließlich auch den Weg an die Uni Heidelberg.

Dunkle Geheimnisse

Es ist ein dunkles Geheimnis, mit dem sie der Mutter die Zustimmung abringen kann – Gastarbeiter Enzo, der außer Marianne alle Frauen der Familie betörte, wird in einem Anfall von Eifersucht von Mutter und Schwester erschlagen – Marianne hilft dabei, seine Leiche im Kaninchenstall zu begraben. Ein Vorgang, der die drei im Schuldig-Sein aneinanderkettet.

Genau hier setzt „Sturmfrühling“ mit zwei eng verbundenen Handlungssträngen an: Da ist das enge und ärmliche Zuhause im Schwarzwald, in dem die Schatten der Tat durch das unerwartete Auftauchen von Enzos „Verlobter“ Maria immer deutlicher werden und auf der anderen Seite das Studium in Heidelberg, die schicksalhafte Begegnung mit David und den Unruhen an der Universität. Heidelberg und die Studenten aus guten Verhältnissen sind Marianne fremd – zusätzlich sieht sich die junge Frau aus dem Schwarzwald mit der Studenten-Revolte gegen autokratische Systeme und Notstandsgesetze und schließlich auch mit der Vergangenheit eines verehrten Professors konfrontiert. Trotzdem hält sie an ihrem Traum fest: Sie will bestehen und Teil dieser Universität werden.

Leidenschaft für Politik

Durch den radikalen David erkennt sie ihre Leidenschaft für die Politik, will den Weg der zunehmenden Gewalt aber nicht mitgehen. Die Ereignisse des Sommers 1967 mit dem Besuch des Schahs und dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg lässt für sie Gewissheiten zerbrechen, sie sucht nach Antworten, wie „das gute Leben gelingen soll“ und erkennt schließlich: „Ich muss raus aus meinem Elfenbeinturm“.

Inge Barth-Grözinger, die in Calmbach lebt, hat einen eingängigen Schreibstil – was vielleicht dazu führt, dass der Begriff „Jugendbuch“ herangezogen wird. Doch berührende Schicksale und verbotene Liebesbeziehungen, die Verquickung erfundener und realer Ereignisse weisen diesen Leserkreis eher als nebensächlich aus, so waren auch in Höfen vorwiegend ältere Zuhörer gekommen. Ein bisschen schade, dass es zwar den Hinweis auf das neue Buch „Wildblütenzeit“ gab, es aber nicht vorgestellt wurde. „Die große Schwarzwaldsaga“ – so der Untertitel, beinhaltet die Geschichte einer Familie in Ettlingen und bezieht in deren persönliches Geschehen die Realität der Nachkriegszeit und die Auswirkungen der eigenen Befangenheiten in der Nazizeit ein.

Autor: Gabriele Meyer | Höfen