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Bad Wildbad -  20.05.2019
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Außergewöhnliche Ausstellung in der Stadtkirche: Schicksal freigekaufter Juden bewegt heute noch

Bad Wildbad. Eine interessante Ausstellung mit dem Titel „Flüchtiges Glück“ in der Bad Wildbader Stadtkirche eröffnet nicht nur einen Blick auf ein außergewöhnliches Ereignis im untergehenden Dritten Reich, sondern zeigt die Perfidie des nationalsozialistischen Systems gegen alle, die nicht in den Rassenwahn des Diktators Hitlers und seiner Konsorten passten.

Das außergewöhnliche Ereignis bildete der Rettungszug mit rund 1200 jüdischen Menschen aus dem Ghetto Theresienstadt, die vom „Orthodoxen Rabbinerverband in den USA und Kanada“ für fünf Millionen Schweizer Franken freigekauft worden waren und im Februar 1945 per Bahn von Theresienstadt über Eger, Nürnberg und Konstanz nach St. Gallen in die Schweiz transportiert wurden und damit dem sicheren Tod in den Vernichtungslagern entkamen.

Dass der Rettungszug bei Verhandlungen in Bad Wildbad angebahnt wurde, wurde bereits vor elf Jahren durch den Calmbacher Heimatforscher Fritz Barth in seinem Buch „Hoffnung, Krieg, Not“ dokumentiert.

Einen ausführlichen Überblick über die damaligen Ereignisse gab Marina Lahmann von der Stadtverwaltung zuständig für Stadtmarketing, Museum und Archiv, die ebenfalls in der Projektgruppe Spurensuche aktiv ist. Die Ausstellung, so Lahmann, sei vor vier Jahren erstmals in der Schweiz gezeigt worden, wo sie von der Pädagogischen Hochschule St. Gallen wissenschaftlich erarbeitet worden war. Die Präsentation berichte von den Hintergründen und den Drahtziehern dieser Aktion, stelle einige der befreiten Menschen vor und vermittle auf Fotos die ersten Tage der Geretteten in St. Gallen. Der Befreiung aus Theresienstadt gingen verschiedene Verhandlungstreffen voraus, wovon eines am 15. Januar 1945 in Wildbad stattfand. An der Wildbader Verhandlung waren beteiligt: Jean-Marie Musy, Mitglied des Schweizer Bundesrats, Walter Schellenberg, SS-Brigadeführer, sowie Heinrich Himmler, Chef der SS. Bereits vor dem Wildbader Treffen über mögliche Rettungsmaßnahmen von Jüdinnen und Juden waren verschiedene Gespräche geführt worden, auch nach der Begegnung in Wildbad gab es noch Verhandlungen. In einer zweiseitigen Niederschrift aus dem Bundessarchiv über das Wildbader Treffen, so Lahmann, entnimmt man, dass Himmler, mit einem Sonderzug von Triberg kommend, bis Forbach-Gausbach fuhr, und von dort mit dem Auto abends nach Wildbad gelangte, wo er im Hotel Post mit Musy und Schellenberg zusammentraf.

Die Ausstellung ist täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet.

Mehr lesen Sie am Dienstag, 21. Mai 2019, in der „Pforzheimer Zeitung“ oder im E-Paper auf PZ-news oder über die Apps auf iPhone/iPad und Android-Smartphones/Tablet-PCs.

Autor: Götz Bechtle