Gemeinden der Region
Stuttgart -  22.09.2020
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Bei Autozulieferer sollen 2000 Stellen wegfallen: Mitarbeiter wollen um Arbeitsplätze bei Mahle und Mapal WWS kämpfen

Mühlacker. Strahlender Sonnenschein über Mühlacker – doch die Zeichen stehen auf Sturm: Bei einer Betriebsversammlung haben am Dienstag die Beschäftigten des Automobilzulieferers Mahle Behr ihrem Unmut über den von der Konzernleitung angekündigten Personalabbau Luft gemacht. Weltweit will Mahle 7600 Jobs streichen. In Deutschland sollen 2000 Stellen wegfallen, mehrere Hundert könnten es bei Mahle Behr am Standort sein.

Laute Rockmusik dröhnt aus den Lautsprechern auf dem Werksgelände. Jeder sechste Arbeitsplatz bei Mahle soll wegfallen. Die konkreten Auswirkungen auf die Region Mühlacker sind noch offen. Erst am Donnerstag sollen die Betriebsräte im Wirtschaftsausschuss genaue Zahlen erfahren. Doch die Betriebsratsvorsitzende Nektaria Christidou befürchtet, dass es Mühlacker „überproportional treffen“ könnte, wie sie am Dienstag im Gespräch mit der PZ erklärt. Und die Beschäftigten sind verunsichert und haben Angst um ihre Arbeitsplätze, wie ein 52-jähriger Teilnehmer der Kundgebung bestätigt. Seit 25 Jahren ist er bei Behr beschäftigt.

Rund 400 Mitarbeiter aus dem Werk Mühlacker nehmen an der Kundgebung teil. Über 100 Kollegen sind aus verschiedenen Standorten im Stuttgarter Raum gekommen. Mit einer Menschenkette entlang der Straße machen sie deutlich, dass es um Solidarität unter einzelnen Mahle-Werken geht. Gleichzeitig findet eine Protestveranstaltung am Standort Vaihingen statt.

Nektaria Christidou wirft der Geschäftsleitung vor, sich viel Zeit mit der Ausarbeitung von Plänen für eine Umstrukturierung gelassen zu haben. Der Gesamtbetriebsrat sei erst spät informiert worden. „Dass 2000 Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen sollen, ist eine Schweinerei.“ Damit werde man sich keinesfalls abfinden. Der Betriebsrat habe einen Forderungskatalog aufgestellt, den man mit der Geschäftsleitung diskutieren werde. Ein Problem sei das Auslaufen der Beschäftigungssicherung bei Mahle.

1240 Beschäftigte produzieren im Thermomanagement-Leitwerk von Mahle in Mühlacker eine Vielzahl an Produkten – von Kühlungskomponenten bis zum kompletten Modul. Sie werden von Fahrzeugherstellern in der ganzen Welt benötigt. „Es ist ein Hochlohnstandort, der Effizienz und Flexibilität bieten muss, um in dieser Spitzenliga der Automobilindustrie mithalten zu können“, sagt Werkleiter Peter Knieknecht. Er ist stolz auf sein Werk und hat einen guten Draht zu den Beschäftigten, von denen er viele seit Jahren kennt. Er verfolgt die Protestkundgebung mitten unter ihnen und kann deren Sorgen nachvollziehen. Der Standort sei nicht in Gefahr, versichert Knieknecht. „Doch wir müssen uns der Transformation stellen. Wir haben nicht nur ein konjunkturelles, sondern ein Strukturproblem.“ Mahle habe schon frühzeitig auf die E-Mobilität gesetzt. Doch Corona habe die Entwicklung wie ein Brandbeschleuniger forciert. Das werde Jobs kosten, sagt Knieknecht.

„Die Arbeitgeber wollen sparen, also müssen Menschen gehen, die viele Jahre gute Arbeit gemacht haben“, sagt Marcel Stegmeyer von der Bezirksleitung der IG Metall Baden-Württemberg. Mit Katja Mast, Bundestagsabgeordnete der SPD, bekommt die Belegschaft unerwartet Unterstützung: „Die aktuellen Absatzprobleme rechtfertigen keinen Kahlschlag bei den Beschäftigten.“ Es lohne sich, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. Sie habe großen Respekt vor der Arbeit des Betriebsrats, der vor großen Herausforderungen stehe. Es gelte den Umbruch in der Automobilindustrie zu gestalten und zukunftssichere Arbeitsplätze durch Qualifizierung zu schaffen.

Vorschläge werden geprüft

Mapal WWS in Pforzheim hatte Ende Juni den Abbau von 101 Stellen und Bestandteile des Tarifvertrages wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld angekündigt. „Wir haben ein Zukunftskonzept vorgelegt, mit dem betriebsbedingte Kündigungen verhindert werden können. Damit haben wir eine klare Vision, mit einer Zukunft für alle Kolleginnen und Kollegen“, sagt Eduard Dokter, Betriebsratsvorsitzender von Mapal WWS. Die Aktion habe die Geschäftsleitung beeindruckt, so Dokter weiter. „Die Geschäftsleitung ist nun auf jeden Fall bereit, unsere Vorschläge ergebnisoffen zu prüfen.“

Autor: ne