Bei der Leitstelle Pforzheim-Enzkreis zählt jede Sekunde: 213.000 Anrufe im Jahr – und immer mehr Notrufe, die keine sind
Pforzheim/Enzkreis. Seit zehn Jahren laufen in der Integrierten Leitstelle Pforzheim-Enzkreis alle Fäden zusammen – dort, wo Sekunden zählen und jede Stimme am Telefon über Leben und Tod entscheiden kann. Entstanden ist dieser zentrale Knotenpunkt im Oktober 2015 aus einer Gesetzesänderung: Damals wurden die bis dahin getrennten Rettungs- und Feuerwehrleitstellen zusammengeführt. Heute koordinieren rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Schichtdienst, getragen von Deutschem Roten Kreuz, Stadt Pforzheim und Enzkreis, Tag und Nacht Einsätze für rund 337.000 Menschen – vom Herzstillstand bis zum Großbrand, vom Unfall bis zum Katastrophenfall.

Im vergangenen Jahr gingen in der Integrierten Leitstelle Pforzheim-Enzkreis nach Angaben der Pressestelle des Enzkreises rund 213.000 Telefongespräche ein, darunter etwa 57.000 Notrufe über den europäischen Notruf 112. Daraus hätten sich insgesamt rund 67.000 Einsätze ergeben – rund 41.500 für den Rettungsdienst, 21.000 Krankentransporte und 4.500 Einsätze der Feuerwehr.
Unter den genannten Einsatzzahlen seien auch zahlreiche Fehlalarme gewesen. Die Gründe dafür seien vielschichtig. So hätten bei der Feuerwehr rund 30 Prozent der Alarme keinen tatsächlichen Einsatz erfordert – häufig ausgelöst durch automatische Brandmeldeanlagen oder private Rauchmelder, die nach einer Kontrolle vor Ort keine Maßnahmen nötig machten. Auch beim Rettungsdienst liege der Anteil der Fehlalarme bei etwa 20 Prozent, was sowohl die Leitstelle als auch die Einsatzkräfte zusätzlich beanspruche.
Ärztemangel führt zu Notruflast
Wie die Pressestelle weiter mitteilt, sei man in der ILS besonders stolz auf die Zertifizierung nach DIN ISO 9001:2015. Als eine der ersten Leitstellen in Baden-Württemberg habe Pforzheim im Jahr 2021 ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem eingeführt, das alle Bereiche der Leitstellenarbeit umfasse – von der Einsatzabwicklung über die Aus- und Fortbildung bis hin zu Datenpflege und Störungsmanagement. Dieses System solle den Mitarbeitenden ein klares Regelwerk bieten und die Qualität der Abläufe langfristig sichern.
Laut Pressestelle des Enzkreises habe die in den vergangenen Jahren stetig gewachsene Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Rettungsdienst zu einer zunehmenden Zahl von Einsätzen geführt. Immer häufiger handele es sich um vermeintliche Notfälle, die sich vor Ort als medizinisch weniger dringlich herausstellten. In solchen Fällen könnten die Rettungskräfte oftmals unverrichteter Dinge wieder abrücken. Das führe laut Pressestelle zu einer Mehrbelastung des Fahrdienstes und teilweise auch zu längeren Wartezeiten bei gleichzeitigen Einsätzen.
Meine Adresse? Gute Frage!
Als Ursachen für diese Entwicklung werden neben gestiegenen Erwartungen auch strukturelle Veränderungen genannt: der Mangel an Hausärzten, schließende Notfallpraxen und überfüllte Notaufnahmen. Viele Menschen wüssten sich in medizinischen Unsicherheiten daher nicht mehr anders zu helfen, als den Notruf zu wählen.
Auch technisch habe sich die Integrierte Leitstelle in den letzten Jahren weiterentwickelt. So werde bei Notrufen von Mobiltelefonen der Standort der Anrufenden automatisch übermittelt – ein Verfahren namens AML (Advanced Mobile Location). Dies sei insbesondere bei ortsfremden Personen oder Notfällen in der Natur hilfreich. Als Ersatz für das frühere Gehörlosenfax habe sich die Notruf-App NORA etabliert. Über sie könnten registrierte Nutzerinnen und Nutzer Notrufe per Chat an die Leitstelle übermitteln.
Nach vorübergehender Deaktivierung infolge von Missbrauchsfällen stehe die App nun wieder mit verbessertem Registrierungsprozess in den App-Stores zur Verfügung.