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Theater -  09.10.2020
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Berührende Choreographie: John Neumeiers „Ghost Light“ in Baden-Baden

Baden-Baden. Stehende Ovationen, 14 Minuten Applaus und ein sichtlich bewegter John Neumeier: Das Festspielhaus Baden-Baden ist mit dem Ballett „Ghost Light“ fulminant in die neue Saison gestartet. „Ich bin erleichtert, dass es endlich wieder losgeht“, sagt Intendant Benedikt Stampa – nach fast siebenmonatiger Zwangspause. Und Neumeier fügt an: „Ich habe nie gezweifelt, dass wir herkommen würden“. „Lebende Kunst“, das heißt für ihn auch, bereits seit Ende April in Hamburg wieder mit seiner Compagnie arbeiten zu können und „so schnell wie möglich in die Probensäle und auf die Bühne zurückzukehren“.

„Köstliche Miniaturen“

Das Hamburg Ballett gehörte international zu den ersten Compagnien, die nach dem Shutdown die Arbeit wiederaufgenommen haben. Neumeier entwickelte die Idee, ein Werk zu schaffen, das das geltende Abstandsgebot nicht nur respektiert, sondern es zugleich zur Grundlage der Struktur macht. „Wir haben zehn Ehepaare oder Lebenspartner in unserer Compagnie, die zusammen tanzen dürfen“ erklärt er, andere müssten solistisch agieren. Auch diese Ungerechtigkeit sei ein Teil des Stücks, das am 9. September in der Hamburger Staatsoper uraufgeführt wurde. Sein Konzept bezieht 55 Tänzerinnen und Tänzer der Compagnie mit ein. „‚Ghost Light‘ ist vergleichbar mit einzelnen Instrumentalstimmen einer Sinfonie – oder einem traditionellen japanischen Essen: eine Folge sorgsam arrangierter, hoffentlich ‚köstlicher‘ Miniaturen“, schildert er. Es gehe um die Tänzer selbst, um ihre Ängste, ihre Beziehungen und „was sie erlebt haben in dieser sonderbaren Zeit“. Fast schon trotzig zitiert Neumeier dabei mit zwei Kostümen seine „Kameliendame“ von 1978 und mit einem Nussknacker-Requisit seinen berühmten Klassiker von 1971. Doch in „Ghost Light“ wird nicht erzählt, es geht um getanzte Emotionen, mal als Paar, etwa Anna Laudere als „Kameliendame“ Marguerite, die von ihrem Geliebten (Edvin Revazov) getröstet wird. Oder solistisch, wie Christopher Evans, der die einzelnen Szenen immer wieder begleitet.

Neumeier knüpft mit dem Titel „Ghost Light“ an eine Tradition des amerikanischen Theaters an, wo nach Ende der Proben oder Aufführungen mitten auf der Bühne ein Metallständer mit einer einzigen Glühbirne aufgestellt wird – damit die Geister nun tanzen können. Das Ghost Light brennt die ganze Nacht hindurch – bis sich die Bühne wieder mit Leben füllt.

Ein berührender Abend, auch durch das Solo-Klavier: Der vom Publikum gefeierte Pianist David Fray spielt mit wehmütiger Intensität Schubert, unter anderem die Moments Musicaux und das Allegretto in c-Moll.

Die weiteren Aufführungen und die Ballettwerkstatt mit John Neumeier sind ausverkauft.

Das Programm der kommenden Monate

Das Programm des Festspielhauses Baden-Baden der kommenden Monate ist gespickt mit Stars der Klassik- und Jazzwelt. Allerdings: Die Karten sind rar. Manches ist bereits ausverkauft. Ein Überblick:

23. Oktober, Sol Gabetta und Jakub Hruša, Bamberger Symphoniker, Elgars Konzert für Violoncello und Orchester, Bruckners Sinfonie Nr. 4.

30. und 31. Oktober (jeweils 20 Uhr), Thomas Hengelbrock, Balthasar-Neumann-Chor- und –Ensemble, „Ein Deutsches Requiem“ von Brahms.

31. Oktober (16 Uhr) und 1. November (11 Uhr), Thomas Hengelbrock, Balthasar-Neumann-Chor- und –Ensemble, Sinfonie Nr. 3 F-Dur von Brahms.

7. November, Berliner Philharmoniker mit Kirill Petrenko, 9. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch und Metamorphosen von Richard Strauss.

13. November, Julia Fischer und Antonio Pappano, Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Mozarts Violinkonzert Nr. 5 A-Dur, „Haffner“-Sinfonie.

15. November, Till Brönner, Album „On Vacation“.

28. und 29. November, Thomas Hengelbrock, Münchner Philharmoniker, Fazil Say, Mozarts Klavierkonzert Nr. 12 A-Dur, Beethovens „Eroica“.

4. Dezember, Diana Damrau und Nicolas Testé, Arien von Bellini, Donizetti, Rossini, Verdi.

5. Dezember, Valery Gergiev und Pianist Mao Fujita, Münchner Philharmoniker, Beethovens Klavierkonzert Nr. 4, Sinfonie Nr. 1 c-Moll von Brahms.

6. Dezember, Valery Gergiev und Bartion Michael Volle, Münchner Philharmoniker, Mussorgskys Lieder und Tänze des Todes, Tschaikowskys Sinfonie Nr. 5.

Autor: ps